Zwischen Scherzen und Irritationen
Einer guten Frage geht Anglikaner-Primas Justin Welby nicht aus dem Weg. Und so war er um die Antwort nicht verlegen, als neulich ein kleiner Junge bei einem religiösen Fest von ihm wissen wollte: Wer würde gewinnen, wenn Sie und der Papst gegeneinander kämpfen müssten - Mann gegen Mann? Der Sieger hieße Papst Franziskus, meinte Welby, "und zwar aus vielerlei Gründen: Er hat einen größeren Stab als ich. Er hat einen größeren Hut als ich. Er ist größer als ich. Und er ist besser als ich."
Ökumene trotz Frauenordination
Wenn sich nun tatsächlich Papst und Primas am Mittwochabend in Rom wiederbegegnen, dann ohne Laserschwert oder Duell-Pistolen. Das Verhältnis ist entspannter denn je. Rom und Canterbury frotzeln schon seit ihrer ersten Begegnung 2013 übereinander. Welby berichtet, der damals 76-jährige Franziskus habe ihn mit den Worten begrüßt: "I am senior to you" - was im Englischen einen Doppelsinn enthält: Ich bin ranghöher - aber auch: ich bin (dienst-)älter. Der 57-jährige Welby rechnete nicht mit einem Scherz und sagte eingeschüchtert: "Aber natürlich sind Sie das!" Darauf der Papst: "Ja, um zwei Tage ..." Tatsächlich fand Welbys Inthronisierung in Canterbury gut 48 Stunden nach der von Franziskus in Rom statt.
Auch wenn die anglikanische Frauenordination und die Weihe von Bischöfinnen in Rom für große Irritationen sorgten: Wohl mit keiner protestantischen Kirche hat der Vatikan in den vergangenen 50 Jahren eine solche ökumenische Nähe erreicht wie mit der Staatskirche von England. Jüngster Höhepunkt dieser Aussöhnung und Wiederannäherung: Im Februar zelebrierte der Kardinal von Westminster die erste katholische Messe seit rund 450 Jahren in der königlichen Kapelle von Hampton Court - jenes Schlosses, das Heinrich VIII. 1528 seinem Lordkanzler Kardinal Thomas Wolsey abgenommen hatte, weil dieser sich weigerte, die Eheannullierung des Königs in Rom zu befördern.
Hier betete Heinrich nach der Lossagung vom Papst mit zwei weiteren seiner Frauen; hier verdammte er seine vierte und heiratete 1543 seine sechste und letzte, Catherine Parr. Und hier beendete schließlich, im Februar 2016, der anglikanische Bischof von London Richard Chartres seine Predigt mit der bemerkenswerten Adresse an den katholischen Erzbischof der Hauptstadt: "Willkommen zu Hause, Herr Kardinal!"
Gemeinsames Abendgebet an geschichtsträchtigem Ort
Nach dieser symbolträchtigen Geste (und nach der jüngsten Begegnung von Papst und Primas beim Weltfriedenstreffen der Religionen in Assisi Mitte September) reist nun Welby nach Juni 2013 und Juni 2014 bereits zum dritten römischen Treffen mit Franziskus.
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Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, wird am Mittwoch zu seinem dritten Besuch bei Papst Franziskus erwartet. Das Treffen soll an ein historisches Ereignis erinnern.Auch der Ort ihres gemeinsamen Abendgebets in Rom ist hinreichend geschichtsgesättigt. Das Kloster "Sankt Andreas und Sankt Gregor am Monte Celio" unweit des antiken Circus Maximus wurde um 580 vom heiligen Gregor dem Großen im Haus seiner Familie gegründet. Und von diesem Kloster aus sandte Papst Gregor den Abt Augustinus und 40 Gefährten im Frühjahr 596/97 auf seine erfolgreiche Missionsreise nach Kent. Das Andreaskloster am Monte Celio ist insofern das Mutterhaus der anglikanischen Kirche: Augustinus wurde als erster Erzbischof von Canterbury Apostel der Angelsachsen - und Justin Welby sein 104. Nachfolger.
Welby, der ranghöchste Anglikaner, hat nie einen Hehl aus seiner benediktinischen Spiritualität gemacht. 2014 siedelte er an seinem Amtssitz im Lambeth Palace eine katholische ökumenische Gebetsgemeinschaft als Mitbewohner an: vier Mitglieder des "Chemin Neuf". Neue Wege gehen - auch das ist Papst und Primas gemeinsam. Wie weit sie gehen wollen, könnte dann am zweiten Tag der Visite besprochen werden, in einem im Vorfeld als "privat" deklarierten Gespräch. Die Wege des Herrn sind ja bekanntlich unergründlich.