Gegen die Ohnmacht
Doch nicht nur aus Syrien, auch aus anderen umkämpften Gebieten der Welt drängen Menschen nach Deutschland. Die Kirchen versuchen zu helfen, wo sie können. Dazu gehören auch unkonventionelle Maßnahmen: Sie stellen ungenutzte Immobilien zur Verfügung, damit dort Flüchtlinge unterkommen.
Das frühere Gemeindehaus in Nürtingen, das Wohnhaus des Kirchenzentrums Sankt Stephan in München-Neuperlach und das Pfarrhaus in Putzbrunn im Landkreis München sind nur einige Beispiele von katholischer Seite. In Bayern gab es im April dieses Jahres sogar einen Hilferuf aus der Politik. In einem Brief bat Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) die Kirchen, Wohnraum für Flüchtlinge bereitzustellen. Der Appell fiel auf fruchtbaren Boden: Ende August bat etwa das Bistum Augsburg seine Pfarrer um Hilfe bei der Suche nach Unterkünften, im Erzbistum München-Freising ist es schon länger Beschluss der Ordinariatskonferenz, geeigneten Wohnraum entsprechend zu vermieten.
Ein stichprobenartiger Rundruf in den deutschen Diözesen zeigt zudem: Das Thema ist auch in anderen Bundesländern bekannt. "Die Anfrage erging auch von Seiten des Landes Berlin an die hier ansässigen Kirchen", erklärt etwa Stefan Förner, Pressesprecher des Erzbistums Berlin gegenüber katholisch.de. Der Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings rief erst vor wenigen Wochen die Kirchengemeinden zur Mithilfe auf, im Bistum Rottenburg-Stuttgart erging im Juli ein förmliches Hilfegesuch von Generalvikar Clemens Stroppel. Manuela Pfann, stellvertretende Pressesprecherin der schwäbischen Diözese, kann aus dem Stand mehrere Immobilien aufzählen, in denen bereits Flüchtlinge wohnen.
Bei der Unterkunftssuche muss die Kirche einiges bedenken
Die Suche nach geeigneten vier Wänden ist mitunter mit einigem Aufwand verbunden. Schließlich ist nicht jedes Haus dafür geeignet, Flüchtlingen Unterschlupf zu bieten. "Aufgrund der verständlicher Weise hohen Auflagen an solche Gebäude ist das gar nicht so einfach. Zudem wird es auch ohne Personal nicht gehen", berichtet Stefan Förner aus Berlin. Die Caritas in der Hauptstadt hat nach dem Hilferuf der Landesregierung zwar schon einen Standort im Auge, eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. Um diese Schwierigkeiten weiß auch Sprecher-Kollege Bernhard Kellner aus dem Erzbistum München. Die meisten ihrer Liegenschaften benutze die Kirche nunmal selbst; die erforderlichen Standards, was etwa die Sanitärräume angehe, verringerten die Auswahl weiter.
Irme Stetter-Karp, Leiterin der Hauptabteilung Caritas in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, nennt einen weiteren Aspekt: "Flüchtlinge sollten, wo immer möglich, dezentral untergebracht werden und nicht in großen Massenunterkünften. Wir haben die Aufgabe, sie zu integrieren und nicht, Sonderwelten schaffen", erklärt sie. Diese Voraussetzung werde zum Beispiel das geplante neue Flüchtlingsgesetz in Baden-Württemberg erfüllen.
Doch auch jenseits der Frage nach Unterkünften engagieren sich katholische und evangelische Kirche für Flüchtlinge und arbeiten dabei mit den staatlichen Institutionen zusammen. Im Bistum Rottenburg-Stuttgart wurde die Kirche schon vor der Ankunft der ersten sieben der rund 350 syrischen Flüchtlinge, die nach ihrem Aufenthalt im Aufnahmelager Friedland ihre neue Heimat in der Diözese finden sollen, über deren geplanten Aufenthaltsort informiert. So konnten sich die jeweiligen Pfarreien schon im Vorhinein darauf einstellen, den Neuankömmlingen bei Bedarf helfend zur Seite zu springen.
Kirche betreut auch bei Traumata und Behördengängen
Und auch bei Behördengängen, Fragen von Ausbildung und Beruf oder psychischen Problemen von traumatisierten Männern, Frauen und Kindern stehen Anlaufstellen wie die Caritas und Diakonie bereit. "Das Ziel ist, den Menschen eine neue Perspektive zu geben", erklärt der Münchener Sprecher Kellner. "Viele brauchen Hilfe, um unsere Sprache zu lernen und eine wirtschaftliche Basis für ihr Leben hier aufbauen zu können".
Schon seit Monaten fordert die Deutsche Bischofskonferenz außerdem, mehr als die bisher angekündigten 5.000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Wiederholt wendeten sich Kirchenvertreter mit entsprechenden Appellen an die Politik. Vielleicht hilft ja der Vergleich Norbert Trelles, die Ohnmacht zu überwinden.
Von Gabriele Höfling