Olivier Ndjimbi-Tshiende äußert sich in der "Süddeutschen Zeitung"

Zornedinger Pfarrer massiver bedroht als bekannt

Veröffentlicht am 19.10.2016 um 12:20 Uhr – Lesedauer: 
Rassismus

München ‐ Bereits im Februar beschloss Pfarrer Ndjimbi-Tshiende, Zorneding zu verlassen, weil er die Situation nicht mehr ertrug. In einem Interview berichtet er nun, ab wann er es mit der Angst zu tun bekam.

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Der aus dem Kongo stammende frühere Pfarrer von Zorneding, Olivier Ndjimbi-Tshiende (67), ist massiver bedroht worden als bisher bekannt. So habe er nicht nur Postkarten mit Morddrohungen erhalten, sondern auch Briefe, sagte er im Interview der "Süddeutschen Zeitung"  vom Mittwoch. Als sich die Briefe häuften, habe er "wirklich Angst gekriegt", so der Geistliche.

Prozess platzte

In dem Interview zitiert er aus einem der Schreiben: "Wir kennen das Kennzeichen deines Autos, wir wissen, wo du wohnst, wir wissen auch, wohin du gehst, kennen deine Wege." Daran habe er natürlich gedacht, wenn er abends alleine in die Filialkirchen seiner Pfarrei gegangen sei.

Der Prozess gegen einen Rentner am Amtsgericht Ebersberg, der sich wegen Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung hätte verantworten sollen, war am Dienstag geplatzt. Der 74-jährige Münchner war nach Angaben eines Sprechers nicht erschienen, gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Ihm wird vorgeworfen, entsprechende Postkarten an Ndjimbi-Tshiende geschrieben zu haben.

Der Pfarrer, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, hatte im März die oberbayerische Pfarrei verlassen. Seit Oktober ist er Mitglied einer Forschungsgruppe am Zentrum Migration und Flucht der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Außerdem hilft er als Seelsorger im Raum Ingolstadt aus.

Den Entschluss, Zorneding zu verlassen, habe er im Februar gefasst, berichtete der Priester. Damals hätten sich die Morddrohungen verstärkt. So habe er einen Brief mit den Worten erhalten: "Jetzt ist es Zeit, dass du weg von Zorneding kommst. Sonst passiert dir das Gleiche wie dem anderen Pfarrer." Darunter sei ein Artikel über einen Pfarrer aufgeklebt gewesen, der von Rechtsradikalen fast zu Tode geprügelt worden wäre. Der Zusatz habe gelautet, "dass man bei mir treffsicher sein würde", so der Pfarrer: "Das war ein ganz konkreter Hinweis, was man mit mir tun wollte“.

Bis dahin habe er in Zorneding keine Probleme mit Rassismus gehabt, betont Ndjimbi-Tshiende. Von der Bevölkerung habe er sich seit 2012 gut aufgenommen gefühlt. "Mehrheitlich bekam ich Zuspruch. Dass ich ein Pfarrer bin, der die Leute eher zusammenbringt anstatt zu spalten." Auf die Frage der Journalisten, ob es schwierig sei, bei der bayerischen Bevölkerung Akzeptanz zu finden, sagt der Pfarrer: "Wenn einer Weißwurt isst und dazu noch ein Bier trinkt — ist das nicht bayerisch? Sauerkraut esse ich auch gerne. Und Schweinshaxe."

Er habe sich bei allen Menschen in der Pfarrei wohlgefühlt, "bei den Kindern und Senioren, bei den Jugendlichen. Wir haben uns gedutzt." Zugleich räumte Ndjimbi-Tshiende ein, dass es Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Verwaltung gegeben habe. "Das ist normal und hat mit rassistischer Ablehnung nichts zu tun." Nach kleineren internen Auseinandersetzungen habe er allerdings früher schon mal um seine Versetzung gebeten gehabt. Zur Zeit der Drohbriefe sei dies aber längst Geschichte gewesen.

Das Wort erheben

Der Zornedinger Fall hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Vorausgegangen war eine Kontroverse zwischen dem Seelsorger und der örtlichen CSU wegen der Flüchtlingspolitik. Nach den Worten von Ndjimbi-Tshiende sollte sich ein Pfarrer nicht in jede politische Frage einmischen. Wenn es aber um das Wesentliche gehe, müsse das Wort erhoben werden "für die Wahrheit, für Gerechtigkeit und Frieden". Dabei gelte es vorsichtig zu sein und die Worte klug abzuwägen. (gho/KNA)

Morddrohungen gegen Pfarrer: Rentner vor Gericht

Im Fall Zorneding wirft die Staatsanwaltschaft einem 74-jährigen Münchner Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung vor. Der Mann ist der Justiz wohl bekannt - und sorgte gleich zu Prozessauftakt für einen Eklat.