Museum Burda zeigt "Die Kerze" in der Kunst der Gegenwart

Ein Lichtlein brennt

Veröffentlicht am 23.10.2016 um 14:00 Uhr – Lesedauer: 
Kunst

Baden-Baden ‐ Rechtzeitig vor der Adventszeit hat die Kerze im Kunstmuseum Frieder Burda ihren großen Auftritt: mit einer außergewöhnlichen Ausstellung über Gegenwartskünstler, die sich mit ihr beschäftigten.

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Ist es digitale Projektion oder echtes Kerzenlicht? In der "Candle Box" des dänischen Künstlers Jeppe Hein verwischen die Grenzen zwischen dem Spiegelbild des Betrachters und der hinter blank poliertem Glas flackernden Flamme. Deutlich drastischer inszeniert Eric Fischl die Kerze als Phallussymbol, die neben einem Paar beim Liebesakt flackert. Die Videoinstallation von Nam June Paik verwandelt dann die angenehm warme Flamme in sich gegeneinander verschiebende rot-grün-blaue Lichtspiele.

Rechtzeitig zum Beginn der dunklen Jahreszeit geht das Museum Frieder Burda ein außergewöhnliches Thema an: Ausgehend von einem Hauptwerk der eigenen Sammlung, Gerhard Richters "Kerze", fragt die neue Sonderausstellung nach Auseinandersetzungen mit dem Motiv der Kerze in der Gegenwartskunst. Bis zum 29. Januar 2017 sind in Baden-Baden rund 50 Arbeiten von 37 Künstlern zu sehen, darunter Fotografien, Skulpturen, Videoinstallationen und Gemälde - beispielsweise von Markus Lüpertz, Georg Baselitz und Jörg Immendorff. Letztere steuert mit seinem "Negerchen mit Kerze" von 1966 eine (ironische?) Auseinandersetzung mit rassistischen Vorurteilen bei.

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Während die Kerze als Symbol für Gott in der Kunst des Mittelalters und der Frühen Neuzeit allgegenwärtig ist und - oft in Kombination mit einem Schädel - für die Vergänglichkeit des Menschen steht, fristet die Kerze in der Gegenwartskunst eher ein Schattendasein. "Aber dennoch haben wir ein erstaunlich breites Spektrum von Arbeiten gefunden, die sich mit den mannigfaltigen der Kerze zugeschriebenen Bedeutungen auseinandersetzen", so Kuratorin Katrin Schwarz. Dabei betrete das Museum Neuland: Noch nie habe es eine solche Ausstellung gegeben.

Direkte religiöse Bezüge sind nach Einschätzung von Schwarz in den aktuellen Kerzendarstellungen eher die Ausnahme. Und dennoch: In Tim Eitels kleinformatigen Ölgemälde Interieur (2014) steht eine weiß gekleidete Frau tief versunken in einem dunklen Kirchenraum, einzig erhellt durch Votivkerzen unter einer Madonnenfigur. Und Thomas Demand zeigt Kerzen als Versuch, die Sprachlosigkeit nach Unglücken oder Terroranschlägen zu überwinden: Für seine Arbeit "Tribute" fotografierte Demand Grablichter, die an die Toten des Loveparade-Unglücks von Duisburg erinnerten. Danach baute er diesen Gedenkort aus Papier und Pappe nach, tilgte dabei aber alle individuellen Hinweise auf die Opfer, so dass ein vom konkreten Anlass losgelöstes Gedenkbild entsteht.

Das Vanitas-Motiv der Kerze mit Totenschädel

Selbst das traditionelle Vanitas-Motiv der Kerze mit Totenschädel findet sich bei Richter und Lüpertz. Thomas Struths großformatige Fotografie der Venezianischen Kirche San Zaccaria zeigt Touristen, Betende und Kunstbewunderer in den Kirchenbänken. Die in Afghanistan erschossene Kriegsreporterin Anja Niedringhaus ist mit einer 2009 entstandenen Schwarz-Weiß-Fotografie eines Bundeswehrsoldaten vertreten, der im afghanischen Kampfgebiet neben zwei brennenden Kerzen ins Nichts schaut. "Unsere Ausstellung will auch der Frage nachgehen, wie aus dem materiellen Ding einer Kerze etwas Geistiges, Transzendentes werden kann", so Ausstellungsmacher Helmut Friedel. So sei es Richter gelungen, eine Art "Urbild" der Kerze, losgelöst von jeder konkreten Verortung zu schaffen.

Die Stärke der Ausstellung, die große Bandbreite der gezeigten Arbeiten, ist aber zugleich eine Schwierigkeit: Denn viele Themen und Bezüge werden nur angestoßen, aber nicht in größere Zusammenhänge eingeordnet. Sehr hilfreich ist hier allerdings der aufwendig produzierte Katalog, der jedes ausgestellte Werk beschreibt und kurz interpretiert.

Von Volker Hasenauer (KNA)