Im Erzbistum Berlin fehlt das Geld

Ringen um den Religionsunterricht

Veröffentlicht am 06.11.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Finanzen

Bonn/Berlin ‐ Seit 20 Jahren wird nirgendwo in Deutschland so sehr um den Religionsunterricht gestritten wie im Erzbistum Berlin. Vor einigen Wochen hat es nun ein vertrauliches Spitzengespräch über die zukünftige Finanzierung des Unterrichtes gegeben. Schon jetzt ist der Unterricht für die katholische Kirche aus finanzieller Sicht ein Minusgeschäft.

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Gesprächsteilnehmer der "Finanzierungsrunde" waren der Erzbischof von Berlin, Kardinal Rainer Maria Woelki, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Markus Dröge, und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit. Das bestätigte der Sprecher des Erzbistums Berlin, Stefan Förner, am Dienstag auf Nachfrage von katholisch.de.

"Manche Schule haben wir sogar schon aufgegeben", sagt Förner. Denn: Die Refinanzierung des Religions- oder weltanschaulichen Unterrichts richtet sich in Berlin nach der Größe der Unterrichtsgruppen. Derzeit bieten in Berlin - neben den christlichen Kirchen - auch die jüdische Gemeinde, Muslime, die Buddhistische Gesellschaft und der Humanistische Verband freiwilligen Unterricht an.

Deutliche Finanzierungslücke

Allerdings müssen die Gruppen mindestens 12 bis 15 Schüler groß sein, um berücksichtigt zu werden. In den Jahrgangsstufen vieler Schulen in Berlin finden sich jedoch nur 6 bis 9 katholische Schüler, mancherorts sogar noch weniger. Zudem orientiere sich die Höhe der Refinanzierung an einem Tarifvertrag aus dem Jahre 2000. Die Lehrergehälter seien seither aber weiter gestiegen, so Förner. "Der Spagat geht immer weiter auseinander", beschreibt er die finanzielle Situation.

Tatsächlich sind die Ausgaben des Erzbistums seit dem Jahr 2005 massiv gestiegen. Damals gab das Erzbistum für den katholischen Religionsunterricht an allen Schulen im Erzbistum, darunter auch für die Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, 9,9 Millionen Euro aus. Refinanziert wurden von den Ländern 7,8 Millionen Euro. Im Haushaltsplan 2013 rechnet die Erzdiözese nun mit Ausgaben von 12,7 Millionen Euro und 8,2 Millionen Euro an Zuwendungen der Länder für diesen Bereich – eine Finanzierungslücke von 4,5 Millionen Euro. Aufgrund der Vielzahl der Schüler hat das Land Berlin den größten Anteil an diesem Haushaltsposten. Aber in der Hauptstadt besuchen gerade einmal rund 25.000 Schüler den katholischen Religionsunterricht. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist die Zahl der Katholiken noch sehr viel kleiner.

Kardinal Rainer Maria Woelki.
Bild: ©dpa/Rainer Jensen

Kardinal Rainer Maria Woelki spricht vor Journalisten.

Bis heute keinen Staatsvertrag

Problematisch ist bei den Gesprächen über die Finanzierung des Religionsunterrichtes, dass es bis heute keinen Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und der katholischen Kirche gibt. Das einzige juristische Konstrukt, das die Beziehungen zwischen Land und Erzbistum regelt, ist das sogenannte "Abschließende Protokoll", eine Vereinbarung aus dem Jahr 1970. Da galt in Berlin noch der Vier-Mächte-Status. 1991 wurde der Geltungsbereich auf ganz Berlin erweitert.

Das Erzbistum Berlin ist im deutschen Vergleich ohnehin ein Sonderfall, wenn es um den Religionsunterricht geht. Nirgends hat es solche Auseinandersetzungen gegeben wie hier. Zehn Jahre lang wurde nach der Wende mit dem Land Brandenburg um den Religionsunterricht und das Fach "Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde" (LER) gestritten.

Religionsunterricht nicht Teil des offiziellen Fächerkanons

Der Streit ging bis zum Bundesverfassungsgericht. Das schlug 2001 einen Vergleich vor. Seither dürfen Kinder sich von LER abmelden, wenn sie am konfessionellen Unterricht der Kirchen teilnehmen. In der Regel findet der zwar in der Schule statt, wird aber auch - wo es anders nicht zu organisieren ist - in Gemeinderäumen erteilt. Der Religionsunterricht gehört nicht zum offiziellen Fächerkanon der Schule. Die dort erbrachten Leistungen werden zwar auf dem Zeugnis dokumentiert, sind aber nicht versetzungserheblich.

Im Land Berlin wurde jahrelang über die Einführung eines Wahlpflichtfaches Religion diskutiert. Seinen Höhepunkt hatte der Streit mit dem Volksbegehren "Pro Reli" im April 2009. Dies scheiterte vor allem an mangelnder Wahlbeteiligung. Ziel der Initiatoren war es, eine Wahlpflichtfachgruppe Ethik/Religion für alle Schüler ab der ersten Klasse statt des 2006 neu eingeführten Faches Ethik nur für die Klassenstufen 7 bis 10 einzuführen. Das fordern die evangelische und katholische Kirche auch heute noch.

Von Markus Kremser