Wenn das Grab zum Gemüsebeet wird
Der Friedhof als Spielplatz, das Grab als Gemüsebeet - unmöglich ist das nicht. Immer mal wieder war dies Thema in Debatten, die wenig überraschend kontrovers verliefen. Kürzlich zum Beispiel in Bayern: Medienberichten zufolge pflanzte eine Frau aus Neuburg an der Donau auf dem Grab ihrer Großeltern Tomaten, weil sie dieses Gemüse zu Lebzeiten so gerne gemocht hatten. Die Stadtverwaltung hatte gegen diese ungewöhnliche Grabbestückung keine Einwände, eine Stadträtin allerdings schon, hieß es.
Auf dem Karlsruher Hauptfriedhof gehen Kinder auf einem Spielplatz "leisen" Vergnügungen nach: Sie rutschen, schaukeln, buddeln im Sandkasten - unweit der Gräber. Der Ort nennt sich "Kinderwelten" und richtet sich vor allem an Mädchen und Jungen, die ein Elternteil oder einen anderen nahestehenden Menschen verloren haben. Er besteht neben dem normalen Teil aus einem zweiten, auf dem die Spielgeräte nicht funktionieren. Sie sollen die "Trauerwelt" von Kindern symbolisieren. Wer möchte, kann auf Tafeln Texte trauernder Mädchen und Jungen lesen.
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Ein Gemüsebeet oder ein Spielplatz sind Nutzungen, die nicht unmittelbar etwas mit Bestattungen zu tun haben. Zuweilen werden auf Friedhöfen auch Lesungen oder naturkundliche Führungen veranstaltet. Friedhofscafes sind nicht nur für Trauernde da. Und dann gibt es immer wieder Aktionen auf Gottesäckern, um Kinder spielerisch an das Thema Tod heranzuführen. Das alles dürfte für manche Menschen seltsam klingen, die Friedhöfe in erster Linie als Orte des Todes, der Trauer und Stille begreifen.
Friedhöfe als Orte für die Lebenden
Aber: "Lebendige" Friedhöfe trügen zur Attraktivität einer Kommune bei, ist die Vorsitzende des Bundes deutscher Friedhofsgärtner im Zentralverband Gartenbau, Birgit Ehlers-Ascherfeld, überzeugt. "Friedhöfe sind Orte für die Lebenden, und zwar egal welchen Alters." Heutzutage seien sie "sehr viel mehr" als reine Begräbnisstätten. "Ein Friedhof soll immer aufgesucht werden können, um dort zu trauern, sich zu erinnern, sich kennenzulernen und auch um den Friedhof selbst als 'grüne Lunge' einer Stadt neu kennenzulernen und wahrzunehmen", so Ehlers-Ascherfeld. Wie bei vielen anderen neuen Entwicklungen auch gebe es Widerstände, was sich etwa bei den Tomaten auf dem bayerischen Grab gezeigt habe.
Dossier: Trauer: Was hilft und was tut gut?
Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, erleiden tiefste Trauer und Verzweiflung. Wie erleben diese Menschen die Trauer? Und wie finden sie wieder ins Leben zurück? Welche Hilfen gibt es? Das Dossier beantwortet diese und andere Fragen.Kulturveranstaltungen oder Spielplätze auf einigen der rund 16.000 Friedhöfe in Deutschland sind für den Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, Oliver Wirthmann, eher "Randthemen". Fest steht für ihn allerdings: "Friedhöfe können so wie bisher nicht weitermachen." Sie sollten "Dialogorte" werden, auch zwischen den Religionen. "Grundsätzlich ist eines wichtig: Entscheidend ist, dass der Friedhof Schwellenängste nimmt", betont Wirthmann und kritisiert: "Über alles wird offen diskutiert. Im Bereich des Todes bewegen wir uns dagegen weiter in Klischees." Damit das nicht so bleibt, macht Wirthmann Vorschläge: zum Beispiel die Urnenbestattung am Baum auch auf herkömmlichen Friedhöfen und nicht nur in Waldgebieten; ein flexibler Umgang mit der Verlängerung von Ruhefristen; Gemeinschaftsgrabanlagen, die nicht von Angehörigen gepflegt werden müssen; Friedhöfe in privater Trägerschaft.
Dass Widerstände gegen Neuerungen verschwinden können, zeigt das Beispiel des speziellen Spielplatzes in Karlsruhe. Anfangs hätten Kritiker den Vorstoß recht befremdlich gefunden, sagt Andrea Altenburg vom Presse- und Informationsamt der Stadt. "Inzwischen hat ihn jeder akzeptiert." Der in eine intensive Kindertrauerarbeit in Karlsruhe eingebettete Spielplatz werde gut angenommen und sei bundesweit einmalig. Niemand krakele, die Jungen und Mädchen verhielten sich leise. Auf Friedhöfen gehe es nicht nur um den Tod, ist Altenburg überzeugt. "Er ist auch ein Ort für die Lebenden im Gedenken an die Toten."