Votum aus dem Wienerwald
Mit Spannung wird am Donnerstag ein Votum aus dem österreichischen Stift Heiligenkreuz erwartet. Die Zisterzienserabtei will dann entscheiden, ob sie zu einer Wiederbesiedelung des brandenburgischen Neuzelle bereit ist.
Nach dem Ende der DDR gründeten religiöse Orden und ordensähnliche Gemeinschaften zwar eine Reihe neuer Niederlassungen in Ostdeutschland. Nur wenige von ihnen konnten jedoch an Klosterstandorte mit Jahrhunderte langer Tradition anknüpfen. Das bekannteste Beispiel ist Kloster Helfta in Sachsen-Anhalt. Dort leben seit 1999 Zisterzienserinnen aus der Abtei Seligenthal in Bayern.
"Barockwunder Brandenburgs"
Nach 450-jähriger Unterbrechung setzen sie die Ordenstradition dort fort. Für die Klosteranlage Neuzelle südlich von Frankfurt/Oder wäre es ein Neustart nach 200 Jahren. Nach mehr als 500-jährigem Bestehen hatte Preußen das Kloster mit seinen Ländereien im Jahr 1817 verstaatlicht. Dies war mit dem Auszug des Zisterzienserkonvents verbunden.
Weitgehend erhalten blieb Neuzelles Architektur als nördlichstes Beispiel süddeutschen und böhmischen Barocks in Europa. Als "Barockwunder Brandenburgs" zieht die Anlage jährlich rund 120.000 Besucher an. Eine Besonderheit ist das Museum mit den Neuzeller Passionsdarstellungen, die als Kulissentheater in der Kar- und Osterzeit aufgestellt wurden. Über 50 Millionen Euro wurden seit der deutschen Wiedervereinigung aus Mitteln von EU, Bund, Land und Stiftungen zum Erhalt der Klosteranlage investiert.
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Nach wechselvollen Besitzverhältnissen gehören die Bauten und Ländereien im Umfang von fast 11.300 Hektar heute der öffentlich-rechtlichen Stiftung Stift Neuzelle. Sie würde die Mönche aus Heiligenkreuz grundsätzlich mit offenen Armen aufnehmen. Wenn die Zisterzienser zurückkämen, könnte dies "dem Kulturtourismus Rückenwind" geben, erklärt der Stiftungs-Direktor für Marketing und Kultur, Walter Ederer. Mit Angeboten wie "Kloster auf Zeit" könnten sie Neuzelle neue Besuchergruppen erschließen.
Große Hoffnungen mit einer Wiederbesiedelung verbindet auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, auf dessen Bistumsgebiet Neuzelle liegt. Von ihm kommt die Einladung an das Stift Heiligenkreuz, eine Wiederbesiedlung zu erwägen. Im vergangenen Sommer konnte Ipolt vier Mönche aus dem Wienerwald begrüßen. Sie nahmen Neuzelle in Augenschein, um die Rahmenbedingungen zu erkunden.
Abtei Heiligenkreuz hat ihre Mitgliederzahl verdoppelt
An Personalmangel dürfte das Projekt nicht scheitern: In den vergangenen 30 Jahren verdoppelte die Abtei Heiligenkreuz ihre Mitgliederzahl auf jetzt an die 100. Eine offene Frage ist indes, wo die Ordensmänner wohnen könnten. Die Zisterzienser bevorzugen das frühere Kanzleigebäude des Klosters, das rund 2.500 Quadratmeter Fläche böte. Dort ist derzeit die Kunst- und Musikschule des Privatgymnasiums untergebracht, das auf dem Klostergelände angesiedelt ist. Für die Musikschule müsste gegebenenfalls eine räumliche Alternative gefunden werden. Allerdings sind die Klostergebäude etwa für museale Zwecke weitgehend schon in Beschlag genommen.
Linktipp: Neuzelle: "Die Stimmung ist sehr gut"
Wird das Kloster Neuzelle in der Lausitz wiederbesiedelt? Der Görlitzer Bischof Ipolt hat sich nun mit den Mönchen vom Stift Heiligenkreuz beraten. Die Signale aus Österreich sind eindeutig.Als weitere offene Frage nennt Ederer, ob öffentliche Mittel eingesetzt werden dürften, um das Kanzleigebäude für die Erfordernisse eines Konvents zu sanieren. Der Marketing-Chef beziffert die Kosten auf bis zu fünf Millionen Euro. Nach seinen Angaben sieht die Stiftung Stift Neuzelle keine Förderung kirchlicher Zwecke aus ihren Erträgen vor. Im Vertrag des Landes Brandenburg mit dem Heiligen Stuhl von 2003 gibt es nur die Regelung, dass das Land der Katholischen Kirchengemeinde Neuzelle jährlich 50.000 Euro zahlt.
Mit diesen Fragen will sich die Stiftung erst befassen, falls das Votum aus Heiligenkreuz dies erforderlich macht. Der Marketingchef betont zugleich, dass die Stiftung alle Entscheidungen nur im Einvernehmen mit ihren Partnern vor Ort treffen werde. Dazu gehört nach seinen Worten auch die evangelische Kirchengemeinde. Am Donnerstag dürfte demnach nur eine - wenn auch grundsätzliche - erste Weichenstellung erfolgen.