Zwölf Monate Barmherzigkeit
Ein Mammutprojekt von Papst Franziskus geht seinem Finale entgegen: das Heilige Jahr. Am Sonntag schließt der Papst in einer feierlichen Zeremonie die Heilige Pforte des Petersdoms und beendet damit für die katholische Kirche zwölf Monate, die ganz im Zeichen der Barmherzigkeit stehen sollten. Die vorläufigen Bilanzen fallen unterdessen unterschiedlich aus. Die römische Tageszeitung "Il Messaggero" nannte das Heilige Jahr jüngst einen "Flop", der Vatikan widersprach vehement.
Das Urteil des römischen Hotelverbandes Federalberghi fällt jedenfalls vernichtend aus: "Es ist so, als ob das Heilige Jahr für die Hotelbetreiber nie stattgefunden habe", sagte Giuseppe Roscioli, der Präsident des Verbandes, in einer ersten Bilanz. Die Zahl der Ankünfte von Pilgern und Touristen im laufenden Jahr werde möglicherweise noch unter den 14 Millionen vom Vorjahr liegen.
Keine langen Schlagen vor der Heiligen Pforte
Offensichtlich ist, dass die Menschenmassen ausgeblieben sind. Lange Schlangen gab es kaum je vor der Heiligen Pforte am Petersdom. Welche Rolle hierbei die Angst vor Terroranschlägen spielte, ist unklar. Die meistbesuchte Veranstaltung war die Heiligsprechung von Mutter Teresa durch den Papst, zu der Anfang September 120.000 Menschen kamen - zu ihrer Seligsprechung 2003 waren es allerdings 300.000 gewesen.
Der Cheforganisator des Heiligen Jahres, Kurienerzbischof Rino Fisichella, will hingegen nichts von einem "Flop" wissen. Derartige Medienberichte seien "Fantastereien". Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung verwies auf die Zählung der offiziellen Internetseite des Heiligen Jahrs. Demnach durchschritten bislang 20 Millionen Pilger die Heilige Pforte in Rom. Die Zahl sagt allerdings wenig aus - sie umfasst alle Durchquerungen der Heilige Pforte des Petersdoms und der drei großen Päpstlichen Basiliken sowie eines Marienheiligtums; wer alle fünf Kirchen besucht, erscheint fünfmal in der Statistik. Auch Fisichella ist offenbar nicht ganz zufrieden. Er forderte eine Analyse "möglicher Hindernisse, die einen vollen Erfolg verhindert haben könnten".
Themenseite: Heiliges Jahr
Vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016 findet das von Papst Franziskus ausgerufene "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" statt. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zum Heiligen Jahr.Papst Franziskus allerdings hat von vorneherein deutlich gemacht, dass es ihm gar nicht darum geht, möglichst viele Pilger nach Rom zu locken. Nach seinem Willen sollte das Heilige Jahr ebenso in den Ortskirchen begangen werden, wo in den jeweiligen Bischofskirchen ebenfalls Heilige Pforten eingerichtet wurden. Diese weltweite Mobilisierung der Gläubigen in den Ortskirchen lässt sich kaum beziffern. Sie dürfte aber weit jenseits aller römischen Pilgerrekorde liegen. Franziskus hat das Heilige Jahr damit von einer romzentrierten zu einer weltkirchlichen Veranstaltung gemacht.
Franziskus selbst bot das Heilige Jahr ein Forum, um das Kernanliegen seines Pontifikats in der Kirche fester zu verankern: die Barmherzigkeit. Kaum eine Predigt des Papstes, in der das Wort fehlte. Die Barmherzigkeit sei in den vergangenen zwölf Monaten zurückgekehrt und "wieder das pulsierende Herz des Lebens der Kirche geworden", resümierte Fisichella. Das Heilige Jahr sollte auch Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) aufgreifen, das vor 50 Jahren endete; dieses spielte jedoch so gut wie keine Rolle.
Franziskus veranstaltet "Freitage der Barmherzigkeit"
Franziskus nutzte das Heilige Jahr aber auch dazu, sich weitere Freiräume jenseits des Protokolls zu schaffen. Das zeigte sich vor allem in seinen monatlichen Ausflügen, die unter dem Motto "Freitage der Barmherzigkeit" standen. Mal besuchte er Wachkoma-Patienten, mal eine Neugeborenen-Stationen, mal ein SOS-Kinderdorf. Stets kam er ohne offizielle Ankündigung mit wenigen Begleitern und konnte das sein, was er am liebsten ist: Seelsorger.
Im Laufe des Heiligen Jahres kam die katholische Kirche in ihrer ganzen Vielfalt nach Rom: Priester, Diakone, Freiwillige und Sozialarbeiter, Familien, marianische Bruderschaften und andere. Diese Gruppen hatte auch Johannes Paul II. (1978-2005) im Jahr 2000 empfangen. Neu ist unter Franziskus, dass auch Obdachlose und Strafgefangene mit dem Papst das Heilige Jahr begehen. Dass gerade diese beiden Personengruppen den Abschluss der Wallfahrten markierten, ist bezeichnend.