Hilfsorganisation warnt vor erneuter Verschärfung der Flüchtlingskrise

Umfrage zeigt Unkenntnis über Flüchtlingssterben

Veröffentlicht am 21.11.2016 um 09:15 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Hamburg ‐ Weil weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, gehen viele Menschen offenbar davon aus, dass sich die Lage auf den Flüchtlingsrouten entschärft habe. Hilfswerke warnen: Das Gegenteil ist der Fall.

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Das Ausmaß des Flüchtlingssterbens im Mittelmeer ist einer Umfrage zufolge vielen Menschen in Deutschland nicht bewusst. In den ersten zehn Monaten 2016 kamen laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR 4.271 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ums Leben oder gelten als vermisst. Das seien 500 Menschen mehr als im gesamten vergangenen Jahr mit 3.771.

Mehr als jeder vierte Bundesbürger (28 Prozent) geht davon aus, dass weniger Flüchtlinge starben. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa in Kooperation mit der internationalen Seenotrettung Migrant Offshore Aid Station (MOAS), die am Montag in Hamburg vorgestellt wurde. Die tatsächliche Lage ist demnach 27 Prozent bewusst. 38 Prozent dächten, dass die Zahl der Toten und Vermissten im Vergleich zu 2015 etwa gleichgeblieben sei.

"Tragische Todesfälle sind aus dem Blick geraten"

"Weil weniger Flüchtlinge in unserem Land ankommen, geht man offenbar davon aus, die Situation habe sich entschärft - doch das Gegenteil ist der Fall", betonte der Sprecher von MOAS Deutschland, Matthias Dentler. Die meisten Flüchtlinge kämen aus Syrien, Afghanistan, Nigeria und Eritrea. "Die bedrohliche Lage der flüchtenden Menschen und die tragischen Todesfälle sind bei sehr vielen Menschen in Deutschland aus dem Blickfeld geraten." MOAS weist darauf hin, dass kleine Schlauch- oder Holzboote meist überfüllt seien. Viele Menschen trügen keine oder nicht funktionssichere Schwimmwesten. Vor allem in den kalten Monaten seien Stürme und hoher Wellengang zu beobachten.

51 Prozent der an der Umfrage Beteiligten meinen den Angaben zufolge, dass die Medien ausreichend über Flüchtlinge auf See berichteten.´Dagegen wünschten sich 45 Prozent mehr Aufklärung. Besonders junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren möchten demnach gerne besser über die Lage auf dem Mittelmeer informiert werden (63 Prozent).

2016 das Jahr mit den meisten Todesfällen im Mittelmeer

MOAS sucht nach eigenen Angaben mit zwei Schiffen und zwei Drohnen Migranten in Seenot, versorgt sie an Bord, organisiert medizinische Hilfe und bringt sie ans europäische Festland. Seit 2014 seien so 31.468 Menschen gerettet worden, davon knapp 20.000 Menschen in diesem Jahr. Erst Anfang November hatte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen erklärt, dass 2016 "schon jetzt das Jahr mit den meisten Todesfällen im Mittelmeer" sei. Auch Kirchenvertreter hatten das Sterben auf See angeprangert. Papst Franziskus etwa bezeichnete das Mittelmeer als einen "Friedhof". Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte kürzlich gesagt: "Nennt das Mittelmeer besser Totes Meer."

An der Umfrage vom 7. und 8. November nahmen den Angaben zufolge 1.004 Befragte ab 14 Jahren teil. (KNA)

Themenseite: Auf der Flucht

Die Flüchtlingskrise fordert Staat, Gesellschaft und Kirchen mit ganzer Kraft heraus. Auch die katholische Kirche in Deutschland engagiert sich umfangreich in der Flüchtlingsarbeit. Weitere Informationen dazu auf der Themenseite "Auf der Flucht".