"Eine Orgel zum Anfassen"
Wenn Philipp Klais von der Orgel in der Hamburger Elbphilharmonie spricht, dann leuchten seine Augen. "Das ist ein ganz und gar ungewöhnliches Instrument", erzählt er. In der Tat: Während Konzertsaalorgeln für gewöhnlich hoch oben über den Köpfen der Zuschauer thronen, sucht das Instrument in Hamburgs neuem Konzertsaal bewusst die Nähe zum Publikum.
Wenige Meter nur trennen den Spieltisch von den terrassenförmig ansteigenden Zuschauerreihen. Zwischen den äußeren Prospektpfeifen kann man hindurchsehen und so Einblicke in die Mechanik erhaschen. Und damit nicht genug: Die Zuschauer sind sogar eingeladen, diese Pfeifen zu berühren. Eine spezielle Beschichtung bewahrt sie vor Schaden.
Die Musik soll erfahrbar werden
"Eine Orgel zum Anfassen", erklärt Klais. Das sei kein modischer Schnickschnack, sondern Teil des Konzepts der Elbphilharmonie, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Musik für alle Menschen erfahrbar zu machen. "Dass wir an diesem spannenden Projekt mitwirken durften, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit", betont der Geschäftsführer der traditionsreichen Bonner Orgelbaufirma.
1882 gründete Philipps Urgroßvater Johannes Klais das Unternehmen. Die Leitung wurde seitdem von Generation zu Generation weitergegeben. Noch heute werden Klais-Orgeln in jener Werkstatt gebaut, die der Gründer 1896 errichten ließ. Wer den unscheinbaren Hof in der Bonner Nordstadt betritt, taucht in eine andere Welt ein: Noch heute atmen die Hallen und Räume den Geist der Industrialisierung. Handarbeit wird groß geschrieben. Erst seit kurzem gibt es eine größere computerbetriebene Maschine.
Und doch entstehen bei Klais modernste Instrumente. Neben Kirchenorgeln baut die Werkstatt seit vielen Jahren auch Instrumente für den Konzertsaal. Ob in München oder Köln, Athen oder Krakau, Madison, Caracas, Kuala Lumpur oder Auckland - Klaisorgeln sind in aller Welt gefragt. Und so wandte sich auch die Elbphilharmonie an das Bonner Unternehmen. Konzipiert wurde das Instrument von Manfred Schwartz, der das Projekt als Orgelsachverständiger von Beginn an begleitet hat.
"Wie alle Klaisorgeln ist das Hamburger Instrument ganz speziell auf die Situation vor Ort ausgerichtet", sagt Klais. Im konkreten Fall bedeutet das: Die Orgel muss über eine große Bandbreite an klanglichen und dynamischen Möglichkeiten verfügen - je nachdem, ob sie solistisch, in einem Orchesterkonzert oder zur Begleitung eines Chores zum Einsatz kommt. "Von Tönen an der Grenze der Hörbarkeit bis zum ganz großen Brausen und Gewitter ist alles drin", erläutert Klais.
Imposant lesen sich auch die Zahlen zur neuen Orgel: 4.765 Pfeifen hat sie, aufgeteilt in 84 Reihen und 69 Register. Rund 11 Millimeter beträgt die klingende Länge der kleinsten Pfeife, stattliche 10 Meter misst die längste Pfeife. Und würde man die hölzernen Verbindungen, welche die Tasten im angebauten Spieltisch mit den Pfeifen verbinden, hintereinanderlegen, ergäbe das eine Gesamtlänge von 700 Metern.
Die großen Bauverzögerungen hatten auch ihr Gutes
Dass sich die Fertigstellung der Elbphilharmonie immer wieder verzögert hat, empfand der Werkstattchef nicht als negativ. Im Gegenteil: Die lange Planungsphase habe die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten - vom Bauherrn über den Architekten bis zum Akustiker - besonders fruchtbar werden lassen.
Entsprechend betrachtet Klais die Fertigstellung mit gemischten Gefühlen: "Ich freue mich natürlich riesig. Zugleich aber bin ich ein bisschen wehmütig, dass dieses großartige Projekt nach zehn Jahren intensiver Arbeit nun abgeschlossen ist." Dem ersten Einsatz des Instruments beim Eröffnungskonzert am 11. Januar 2017 sieht der Bonner mit Spannung entgegen: "Wir Orgelbauer sind immer nervös, ob das Instrument dann auch genauso klingt, wie wir es erhofft haben."
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