Philippe Barbarin zeigt Reue nach Missbrauchsskandal

Kardinal: "Tatsächlich bin ich zu spät aufgewacht"

Veröffentlicht am 26.12.2016 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 
Missbrauchsskandal

Paris  ‐ Ein Priester des Erzbistums Lyon soll mehr als 60 Pfadfinder sexuell belästigt oder missbraucht haben. Der Lyoner Kardinal Philippe Barbarin hat nun Fehler im Umgang mit dem Fall eingeräumt.

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Der Lyoner Kardinal Philippe Barbarin hat Fehler im Umgang mit einem sexuellen Missbrauchsskandal in seiner Diözese eingeräumt. "Tatsächlich bin ich zu spät aufgewacht", sagte der Primas von Frankreich im Weihnachtsinterview der Zeitung "Le Parisien". Hätte er sich früher mit den Opfern getroffen, hätte er sich sagen müssen: Ich muss sofort handeln, so Barbarin.

Gegen den Erzbischof von Lyon war im Frühjahr wegen Nichtanzeige sexueller Übergriffe in seinem Verantwortungsbereich ermittelt worden. Im August stellte die Staatsanwaltschaft die Verfolgung des Falles ein. Es habe keine Hinweise auf eine Straftat seinerseits gegeben, hieß es.

Ein Priester der Erzdiözese soll mehr als 60 Pfadfinder sexuell belästigt oder missbraucht haben. Eine staatliche Strafverfolgung ist mittlerweile in Gang; parallel soll demnächst eine kirchenrechtliche Untersuchung starten. Barbarin sagte im Interview, für diese "innerlich zerstörten Menschen" müsse es eine "monströs empörend" gewesen sein, dass "jener Mann, der ihnen solches Unrecht angetan hat, weiter Priester bleiben konnte". Anfang November hatten die französischen Bischöfe kollektiv um Entschuldigung für Missbrauchskandal gebeten.

Kardinal ruft zur verantwortlichen Wahlentscheidung auf

Barbarin rief seine Landsleute in dem Weihnachtsinterview außerdem zu einer verantwortlichen Wahlentscheidung auf. Es reiche nicht, empört zu sein und Politiker für verkommen zu halten, so der Kardinal. Franzosen, die ihre Stimme dem rechtspopulistischen Front National geben wollten, sollten sich selbst befragen, was das Richtige für das Wohl des Landes ist. Sie sollten für jene Politik stimmen, die Frieden, Sicherheit, Beschäftigung, Bildung und Respekt für die Kleinsten der Gesellschaft voranbringe. Es gebe ein Recht zu protestieren, aber man müsse auch das Land aufbauen.

Barbarin wurde am 17. Oktober 1950 im marokkanischen Rabat geboren und nach dem Studium der Philosophie und Theologie im Großraum Paris 1977 zum Priester geweiht. Kurz darauf erregte Barbarin Aufsehen mit einem Interview, in dem er den Pflichtzölibat für Priester infragestellte. Danach arbeitete er zunächst in Pariser Vorortgemeinden und auf Madagaskar. 1998 wurde er zum Bischof von Moulins in Zentralfrankreich ernannt. Im Sommer 2002 wurde er als Nachfolger des verstorbenen Kardinals Louis-Marie Bille mit nur 51 Jahren Erzbischof von Lyon.

Seit 2003 gehört Barbarin dem Kardinalskollegium an. 2012 sorgte er mit kritischen Äußerungen zum Adoptionsrecht für Homosexuelle sowie zur "Homo-Ehe" für eine Kontroverse in Frankreich. Barbarin nahm 2013 stimmberechtigt an der Papstwahl von Franziskus teil. Im Sommer 2013 erlitt er auf der Reise zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro einen Herzinfarkt. (bod/KNA)