In Mexiko tobt ein blutiger Kampf mit den Drogenkartellen

Ein Priester gegen "Die Tempelritter"

Veröffentlicht am 22.01.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Konflikte

Mexiko-Stadt ‐ Ein schwarzes Mikrofon in der linken Hand, den Rosenkranz in der rechten: Auf dem Marktplatz von Apatzingan versucht Vikar Gregorio Lopez, seinen Nachbarn Mut zu machen. Mehr als 500 Menschen sind gekommen, obwohl hier im mexikanischen Bundesstaat Michoacan seit Wochen ein blutiger Kampf tobt. "Habt keine Angst vor dem Teufel", ruft der Mann im weißen Hemd seinen Zuhörern zu - und wer damit gemeint, ist klar: Das Drogenkartell "Die Tempelritter" beherrscht die Region.

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Die Kartellbosse haben mit brutaler Gewalt der Gesellschaft den Krieg erklärt: Polizisten und Richter werden hingerichtet, Rivalen niedergemetzelt. Es gibt eine offene Kriegserklärung an die katholische Kirche, die sich der Mafia in den Weg stellt.

"Die Menschen haben Angst"

Lopez ist zum Sprachrohr der Menschen geworden, die sich schutz- und hilflos fühlen. "Die Menschen fliehen, weil sie Angst haben", sagt er auf dem Marktplatz. Mehr als 14.000 haben die Stadt schon verlassen, berichtet er. "Ich will, dass diese Leute zurückkommen, weil sich Apatzingan wandeln wird." Auch Angehörige des Vikars haben die Flucht ergriffen.

Offenbar aus gutem Grund: Am Wochenende berichtete die mexikanische Zeitung "Provincia" unter Berufung auf Polizeikreise, man habe ein Attentat auf Lopez verhindert. Fünf Auftragsmörder hätten versucht, ihn zu töten. Trotzdem will Lopez bleiben und die Stimme erheben gegen die Mafia und ihre bezahlten Killer. Doch ganz allein auf Gottes Schutz will sich auch Lopez nicht verlassen. Bei Gottesdiensten trägt er bisweilen eine schusssichere Weste.

Kokainschmuggel, Entführungen, Erpressungen

Der Bundesstaat Michoacan im Westen Mexikos zählt zu den wichtigsten Regionen des milliardenschweren Drogenhandels. Die "Tempelritter" kontrollieren den lukrativen Kokainschmuggel, sind aber auch für Entführungen und Erpressungen verantwortlich. Die Polizei hat entweder längst kapituliert oder sich kaufen lassen. Der Staat hat jahrelang weggeschaut; deswegen fühlen sich viele Menschen hilflos.

Bürgerwehren nehmen nun das Recht in die Hand und liefern sich einen blutigen Kampf mit der Mafia. Die außer Kontrolle geratene Lage hat auch die mexikanische Bundesregierung auf den Plan gerufen, denn die Stadt droht in einem Blutbad zu versinken. Bei den Kämpfen kamen bislang vier Menschen ums Leben, darunter ein elfjähriges Kind. Die Regierung schickte Truppen in die umkämpfte Region.

"Wir wollen euch hier nicht"

Lopez hofft, dass der Staat die Situation vielleicht doch noch in den Griff bekommt. "Wir wollen den Dämon nicht in unseren Straßen. Wir wollen, dass sie ins Gefängnis kommen", fordert der Priester auf dem Marktplatz unter dem Beifall der Zuhörer - und er ruft die Mafia zum Verlassen der Stadt auf: "Verschwindet Tempelritter, wir wollen euch hier nicht."

Sein Mut spricht sich herum. Zunächst in lokalen Medien, dann landesweit. Als er am Wochenende zu einem Friedensmarsch aufruft, sind auch internationale Medienvertreter gekommen, die sich für den furchtlosen Gottesmann mit schusssicherer Weste interessieren.

Aber nicht alle Kirchenvertreter sind mit Lopez' forschem öffentlichem Auftreten einverstanden. Er handele auf eigene Verantwortung und ohne die Autorisierung der Kirchenleitung, stellte Apatzingans Bischof Miguel Patino Velasquez klar. Patino weiß, worauf sich Lopez eingelassen hat. Der Bischof war vor einigen Wochen selbst im Visier der Drogenmafia, als er in einer Brandrede Michoacan als "gescheiterten Staat" bezeichnete.

Distanz der Bischofskonferenz

Auch der Vorsitzende der nationalen Bischofskonferenz, Kardinal Francisco Robles Ortega, wahrte zunächst Distanz zu Lopez. Er dementierte Pläne, es gebe besondere Schutzmaßnahmen für Lopez. Inhaltlich ist der Erzbischof von Guadalajara allerdings auf einer Linie mit ihm. "Hoffen wir", sagt er, "dass die Anstrengungen unserer staatlichen Autoritäten ein gutes Ende finden werden."

Von Tobias Käufer (KNA)