Partnerschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe
Beim Afrikatag Anfang Januar stellt das katholische Hilfswerk missio die Versöhnungsarbeit der katholischen Kirche in Ruanda in den Mittelpunkt. Schirmherrin der weltweit ältesten Kollekte ist die ZDF-Nachrichtenjournalistin Gundula Gause. Im Interview erklärt sie, wie und warum sie für gute Nachrichten aus Afrika sorgen will.
Frage: Frau Gause, Sie sind seit einigen Jahren Schirmherrin für den Afrikatag von missio. Warum gerade dafür?
Gause: Als Nachrichtenjournalistin habe ich in der Redaktion viel mit Meldungen aus der ganzen Welt zu tun - natürlich überwiegend am Computer. Mein Engagement für missio, dieses Ehrenamt, weitet mir den Blick darüber hinaus. Und wenn ich über das konkrete Erleben dieser Arbeit die Probleme Afrikas näher an mich ranlasse - mal ohne die übliche journalistische Distanz - wird mir immer wieder klar, dass wir alle zusammen mehr tun müssen, damit es wieder mehr gute Nachrichten aus Afrika gibt.
Frage: Und warum gerade Afrika?
Gause: Wir erleben dort ja zurzeit die massiven Fluchtbewegungen. Millionen Menschen verlassen ihre Heimat. Die meisten suchen Zuflucht in den armen Nachbarregionen oder -ländern, aber etliche wollen auch zu uns. Dabei lassen sie sich oft von Schleppern überreden, die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer oder andere Wege auf sich zu nehmen und setzen dabei ihr Leben aufs Spiel. Wir müssen diesem Kontinent helfen, es ist ein zu reicher Kontinent - an guten Menschen, an Bodenschätzen, beeindruckenden Landschaften und vielem mehr. Und es wird ja inzwischen eingeräumt, dass auch in Sachen Entwicklungshilfe jahrzehntelang vieles schief gelaufen ist. Daher denke ich, wir müssen auch aus eigenem Interesse endlich auf Augenhöhe partnerschaftliche Beziehungen eingehen.
Frage: Heißt das, auch wir sollten von Afrika lernen?
Gause: Es wäre einfach sinnvoll! Auf meinen Reisen zu Hilfsprojekten nach Kenia, in den Senegal und nach Südafrika habe ich viele beeindruckende Menschen getroffen: optimistische, fröhliche Leute, die tatkräftig ihr Leben meistern wollen und sich für ihre Gesellschaft engagieren. Nicht zuletzt auch aus ihrem Glauben an Gott und aus der daraus resultierenden Hoffnung auf ein besseres Leben. Ich sehe hier viel Engagement und Kreativität, aber auch den Wunsch nach Zusammenarbeit und Unterstützung von unserer Seite, etwa beim Kampf gegen die Korruption. Bei diesen Menschen müssen wir ansetzen; und da finde ich es gut, wenn Hilfswerke wie missio über Ordensleute und andere Projektpartner genau diese Menschen begleiten und beraten, ausbilden und in ihrem Einsatz unterstützen.
Frage: In den Nachrichten - auch im "heute-journal" - sind es meist die Kriege und Katastrophen, über die berichtet wird. Gibt es auch gute Nachrichten aus Afrika?
Gause: Tatsächlich muss man die oft suchen. Denn leider beherrscht derzeit vor allem der islamistische Terror, etwa in Nigeria, die Berichterstattung. Aber es gibt auch die guten Nachrichten aus Afrika. Zum Beispiel die, dass die Zahl der hungernden Menschen seit 1990 um mehr als 200 Millionen zurückgegangen ist. Auch die Zahl der AIDS-Neuinfektionen ist deutlich gesunken. Hier zeigt auch die Aufklärungsarbeit von missio und vielen anderen Organisationen Erfolge.
„Im Großen und Ganzen ist die Kirche die Institution, die am ehesten auf alle Seiten zugehen kann.“
Frage: Im Mittelpunkt des Afrikatages 2017 steht Ruanda. Bis heute leidet das Land unter dem Völkermord von 1994. Erinnern Sie sich noch an die Nachrichten von damals?
Gause: Oh ja, es waren ganz schreckliche Nachrichten. Ich weiß von Kollegen, die vor Ort waren und wirklich traumatisiert zurückkamen: die unvorstellbare Brutalität, die verstümmelten Leichen am Wegesrand und die unsagbaren Gräuel zwischen Hutus und Tutsis. Das kann man nicht vergessen, bis heute nicht.
Frage: Auch wenn die Situation inzwischen vergleichsweise friedlich ist, steht das Land jetzt im Mittelpunkt des Afrikatags. Was will missio damit erreichen?
Gause: Auch 22 Jahre nach dem Genozid bleibt die Friedens- und Versöhnungsarbeit sehr wichtig, denn die Wunden sind extrem tief. Die Überlebenden dieser unvorstellbaren Gewalt tragen grausame Erinnerungen in sich. Und hier kann die katholische Kirche eine entscheidende Rolle übernehmen. Natürlich gab es auch Kirchenvertreter, die Schuld auf sich geladen haben - und sei es durch Wegsehen. Aber im Großen und Ganzen ist die Kirche die Institution, die am ehesten auf alle Seiten zugehen kann. Ich weiß von vielen Pfarrern und Ordensleuten, die in Ruanda mit den einstigen Tätern und Opfern gemeinsam arbeiten und denen es gelingt, die Feinde von damals - Menschen, die einander Gewalt angetan haben -, wieder ins Gespräch zu bringen. Eine existenziell wichtige Arbeit, die unsere Unterstützung braucht, um einen Beitrag für eine bessere Zukunft Ruandas zu leisten.