Wie es die Rechtspopulisten mit der Religion halten
Der Rechtspopulismus ist in Deutschland nicht mehr als Randphänomen abzutun. Wenngleich die Dresdner Pegida-Bewegung wohl ihren Zenit überschritten hat, so ist doch die AfD inzwischen in zehn Länderparlamenten vertreten und hat realistische Chancen auf einen Einzug in den Bundestag bei den Wahlen im Herbst. Der Umgang mit diesem Phänomen scheint oft hilf- und strategielos. Teils scharfe Fronten verlaufen zwischen denen, die AfD und Pegida rundweg verteufeln, und jenen, die versuchen, die Ängste und den Unmut der Anhänger zu verstehen.
Inzwischen sind eine Reihe von Publikationen dazu erschienen und nun legt auch der Freiburger Herder-Verlag mit "AfD, Pegida und Co.: Angriff auf die Religion?" einen Aufsatzband vor, herausgegeben vom Chefredakteur der "Herder Korrespondenz", Volker Resing, und seinem Vize Stefan Orth. Zu Wort kommen weniger Politikwissenschaftler, stattdessen mehrheitlich Theologen, darunter der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki.
Pegida mit eindeutig rechtsextremen Bezügen
Dieser mahnt einen differenzierten Blick auf die Positionen der Rechtspopulisten wie auch klare Worte an. Die Kirche "ächtet rechtspopulistische Positionen und Kampagnen, die gegen die Menschenwürde verstoßen". Als Beispiel hierfür nennt er die Pegida-Kampagne gegen eine vermeintliche "Islamisierung" des Abendlands oder "ausgrenzende Positionen der AfD, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre".
Zur Frage, ob und wie Kirchenvertreter in direkten Dialog mit Rechtspopulisten eintreten sollten, schreibt Woelki: "Im öffentlichen Raum ist ein diskursiv-argumentativer Dialog mit rechtskonservativen oder rechtsliberalen Rechtspopulisten über mögliche Lösungen politischer Herausforderungen unter Achtung der Menschenwürde und voller Anerkennung der Menschenrechte denkbar." Pegida aber weise eindeutig rechtsextreme Bezüge auf, deshalb seien öffentliche Gespräche mit den Organisatoren auszuschließen, ebenso mit AfD-Vertretern, die mit rechtsextremen Positionen in Erscheinung getreten seien.
Jahrelang ignoriert
Der Publizist und Politikwissenschaftler Andreas Püttmann kritisiert, dass die Kirchen jahrelang, die "Rechtsausleger" im katholischen Milieu als "irrelevante Randerscheinung" abgetan und ignoriert hätten. Jetzt führten diese der AfD Sympathisanten und Wähler zu. Er appelliert an die Kirchenvertreter, rechtspopulistischer Propaganda öffentlich klar zu widersprechen. In seinem Beitrag zeigt der katholische Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes, wie er das in seinem Alltag ganz konkret praktiziert.
Einen Überblick die heterogene Pegida-Klientel bieten der Dresdner Politologe Werner Patzelt und der sächsische Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung, Joachim Klose. Zugleich sehen sie eine Ursache für den Erfolg auch in der Ignoranz von Politik, Medien und Intellektuellen gegenüber jenen Bürgern, die sich nicht mehr repräsentiert sehen. Sehr aufschlussreich ist die Analyse des ehemaligen sächsischen Staatsministers und früheren Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer. Er nennt Faktoren für den Zuspruch, den die AfD gerade in Ostdeutschland erfährt.
Analyse der parlamentarischen Arbeit fehlt
Alles in allem sind die neun Beiträge von durchaus unterschiedlicher Qualität und Analysetiefe. Damit eröffnet das Buch einerseits neue Einblicke, bleibt andererseits aber mitunter etwas oberflächlich.
Auch wird die Frage, ob und inwieweit AfD, Pegida und Co. tatsächlich ein "Angriff auf die Religion" sind, nur bedingt beantwortet. Zudem hätte man sich ein strafferes Lektorat gewünscht, das die zahlreichen Wiederholungen gestutzt hätte.
Wünschenswert wäre zudem eine Analyse der AfD-Parlamentsarbeit gewesen, welche sich keineswegs - wie im Buch teils suggeriert - nur in sachlichen Belanglosigkeiten und Chaos erschöpft. So ließe sich manchen religionspolitischen AfD-Anträgen aufzeigen, wie die etablierten Parteien durchaus argumentativ herausgefordert werden, wenn sie grundsätzlich gegen AfD-Anträge stimmen. Das war etwa so bei der AfD-Forderung zum besseren Schutz christlicher Flüchtlinge in Thüringen oder beim Antrag zur Einführung eines Neutralitätsgesetzes in Sachsen-Anhalt nach Berliner Vorbild.