Caritas und Diakonie in der zentralen Landesaufnahmeeinrichtung

An der Seite der Flüchtlinge

Veröffentlicht am 17.02.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Die Leipziger Asylbewerberunterkunft in der Torgauer Straße 290.
Bild: © KNA
Asylpolitk

Karlsruhe ‐ Wer als Flüchtling nach Baden-Württemberg kommt, landet zuerst in grauen Wohnblöcken am Karlsruher Stadtrand. Drumherum hohe Metallzäune. Eine trostlose Kantine, ein kleiner Spielplatz, Sicherheitsdienstler in dunkler Uniform. Die zentrale Landesaufnahmeeinrichtung (LEA) ist ein Eingangstor zum deutschen Asylverfahren. Oder die Endstation - dann, wenn die Befragung durch das Bundesamt für Migration keine Aussicht auf einen Asylantrag ergibt.

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Mehr als 1.000 Menschen aus 30 Nationen leben hier für ein bis zwei Monate auf engem Raum zusammen, bevor sie für das restliche Asylverfahren in dezentrale Unterkünfte im Land geschickt werden. Seit kurzem bieten Caritas, Diakonie und der von Ehrenamtlichen getragene "Freundeskreis Asyl" auf dem Gelände eine unabhängige Verfahrens- und Sozialberatung an. "Die meisten Flüchtlinge sind von der gesamten Situation völlig überfordert und leben in großer Ungewissheit, wie es überhaupt weitergehen wird", sagt Teamleiterin Beate Deckwart-Boller.

Der Bedarf ist gewaltig, die täglichen Sprechstundenzeiten sind meist überfüllt. In zwei karg eingerichteten kleinen Büroräumen erklären Deckwart-Boller und ihre vier Kollegen häufig zunächst den Ablauf des Asylverfahrens, helfen bei Verständigungsproblemen oder vermitteln bei Fragen und Konflikten gegenüber der LEA-Leitung.

Familie wartet seit mehr als zwei Monaten auf ihre Verlegung

Eine ärmlich gekleidete Tschetschenin sucht Rat bei den Beraterinnen. Sie sorgt sich um ihren kranken Mann. "Seine Lunge ist krank. Er schläft nicht und isst kaum noch etwas." Ein junger Mann, der im gleichen Raum der LEA einquartiert ist, übersetzt das leise Russisch der Tschetschenin in gebrochenes Deutsch. Deckwart-Boller fragt behutsam nach und fordert die Frau auf, sich sofort zu melden, wenn sich der gesundheitliche Zustand ihres Mannes verschlechtert. "Dann muss er ins Krankenhaus." Die Frau mit dem schwarzen Kopftuch nickt zögernd. Die Familie wartet seit mehr als zwei Monaten auf ihre Verlegung in eine kleinere Unterkunft.

Auch eine 17-jährige Roma bittet um Hilfe bei der Vorbereitung auf die Befragung zu ihrem Asylantrag. Ihr Vater beginnt zu weinen, als er Beraterin Anita Beneta erzählt, dass ihn Männer in der bosnischen Heimat krankenhausreif prügelten: "Die wollten meine Tochter entführen und missbrauchen. Was soll ich noch in diesem Land, in dem der Staat die Roma nicht schützt?"

Bild: ©dpa/Julian Stratenschulte

Eine syrische Flüchtlingsfamilie steigt aus dem Flugzeug. Deutschland will zunächst 5.000 Flüchtlinge aufnehmen.

Wieder hören die Beraterinnen zu, versuchen zu beruhigen. "Es ist wichtig, dass diese verzweifelten Menschen, jemanden haben, der ihnen zuhört, ohne am offiziellen Asylverfahren beteiligt zu sein. Schon deshalb ist unsere Arbeit sinnvoll", sagt Beneta. Gleichzeitig weiß sie, dass der Asylantrag der beiden kaum eine Chance auf Anerkennung haben wird. Deutsche Behörden halten die Situation von Roma in Bosnien in der Regel nicht für asylwürdig.

Seit zwei Jahren starker Flüchtlings-Anstieg

Aussicht auf schnelles Asyl haben derzeit vor allem Flüchtlinge aus Syrien, 2013 nach Serben die größte Nationalitätengruppe unter den Asylbewerbern in Deutschland. Seit zwei Jahren steigt die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge stark an. 2013 meldete das Bundesamt für Migration rund 109.500 Erstanträge auf Asyl, im Jahr zuvor waren es knapp 65.000 gewesen. Allein in diesem Januar gab es mehr als 12.500 Neuanträge.

In den baden-württembergischen Aufnahmestellen in Karlsruhe und Mannheim herrscht drängende Enge, auch wenn LEA-Chef Manfred Garhöfer nicht von Überfüllung sprechen will: "Es ist beengt, aber im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben wir bislang immer alle aufnehmen können." Die Landesregierung hat angekündigt, bald eine zweite große Erstaufnahmeeinrichtung einzurichten, voraussichtlich in Mannheim.

Für viele LEA-Bewohner kommt dies zu spät. So berichten die Beraterinnen von einer Mutter mit neugeborenen Zwillingen, die sich ein Achtbettzimmer mit einer fremden Familie teilen musste. Oder von einem Frühchen in einem Raum mit starken Rauchern. "Oft kommen auch traumatisierte Frauen, die sich nicht richtig um ihre Kinder kümmern und kaum Unterstützung finden. Wir brauchen hier endlich eine bessere medizinische und psychologische Betreuung", fordert Deckwart-Boller.

Von Volker Hasenauer (KNA)

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