Aufgebrochene Opferstöcke - Gestohlene Reliquien
In der evangelischen Aegidienkirche in Lübeck ließ ein Einbrecher im Sommer 2015 Kirchensilber im Wert von 25.000 Euro mitgehen. Der Mann wurde gefasst, als er wenig später auch in den Dom der Hansestadt einstieg, dort den Alarm auslöste und sich auf der Kanzel versteckte. In Baden-Baden entwendeten unbekannte Täter etwa zur gleichen Zeit eine auf mindestens 1.000 Euro geschätzte Statue des Evangelisten Matthäus.
Zwei Fälle von bundesweit 2.589, die die Behörden zwischen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg 2015 erfassten. Ein neuer Spitzenwert seit 2010. Konstant lag die Zahl der Einbrüche immer bei jährlich über 2.000. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Auswertung der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf Basis der Statistiken der Landeskriminalämter hervor. Für 2016 liegen die endgültigen Zahlen noch nicht vor.
Langfinger am Opferstock
Meist haben es die Langfinger auf den Inhalt aus Opferstöcken abgesehen sowie auf Geräte wie Beamer und Laptop. Oder auf Buntmetall von Regenrinnen bis hin zu gusseisernen Türen. Kunst und Antiquitäten gehören eher selten zum Diebesgut, wie Lutz Dettmer vom Versicherungsdienst ecclesia erläutert. Am Sitz des Unternehmens in Detmold läuft ein Teil der Schadensmeldungen aus den Gemeinden und Pfarreien zwischen Flensburg und Passau ein.
Mit Blick auf die absoluten Zahlen rät Dettmer zu Vorsicht. Die beiden großen Kirchen führen dazu kein zentrales Register. Außerdem erheben die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern keine gesonderten Daten für Einbrüche in Kirchen. Schließlich kursieren unterschiedliche Definitionen bei der statistischen Erfassung der Taten. Die meisten Behörden sprechen von "Diebstählen unter erschwerenden Umständen", einige von "Einbrüchen in Kirchen", andere verzeichnen separat "besonders schwere Fälle des Diebstahls von Kunst und Antiquitäten".
Linktipp: Tatort Kirche
Kirchen werden immer wieder Opfer von Einbrechern. Was können die Gotteshäuser dagegen tun? Und was sagen die Einbrüche über das gesellschaftliche Klima gegenüber Religionen und ihren Gläubigen? (Artikel von August 2016)Es sind und bleiben vor allem spektakuläre Einzelfälle, die überregional für Schlagzeilen sorgen. Vor wenigen Monaten erst traf es den Kölner Dom. Dort brachen Unbekannte Anfang Juni 2016 einen Schaubehälter auf, ein sogenanntes Reliquiar, und ließen ein in einem Glasröhrchen gelagertes Tüchlein mit Blutstropfen von Papst Johannes Paul II. mitgehen. "Der materielle Wert ist nur gering, viel größer ist der ideelle Verlust", kommentierte Dompropst Gerd Bachner den Diebstahl. Trotz einer Belohnung in Höhe von 3.200 Euro blieb die Reliquie bislang verschwunden.
Das gilt auch für das bereits 2013 gestohlene Borghorster Stiftskreuz. Die wertvolle Goldschmiedearbeit aus dem 11. Jahrhundert hat anders als die Blutreliquie des früheren Papstes auch einen erheblichen kunsthistorischen Wert. "Wir hoffen weiterhin auf die Rückführung des Kreuzes", sagt ecclesia-Experte Lutz Dettmer. Ab 8. März soll sich der mutmaßliche Auftraggeber des Raubes vor dem Landgericht Münster verantworten.
Mangelnder Respekt vor sakralen Räumen
Es ist kein Zufall, dass sich beide Fälle in Nordrhein-Westfalen ereigneten. Das bevölkerungsreichste Bundesland liegt mit 817 erfassten Fällen 2015 wieder einmal an der Spitze im bundesweiten Vergleich. Seit 2010 wurden rund 4.300 Diebstähle in den Kirchen an Rhein und Ruhr registriert; dabei richteten die Täter einen Gesamtschaden in Höhe von mehr als 2,8 Millionen Euro an. Die Motive lassen sich kaum auf einen Nenner bringen. Das Spektrum reicht von religiösen Beweggründen bis hin zu Beschaffungskriminalität im Zusammenhang mit Drogensucht.
Dass die Täter vor Gotteshäusern nicht zurückschrecken, hat für den Kölner Dompropst Bachner auch mit einem mangelnden Respekt vor sakralen Räumen im Allgemeinen zu tun. "Es sind die kleinen Respektlosigkeiten, die wir immer wieder beobachten", sagte er zum Jahreswechsel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Besucher streifen mit Zigarette und Kaffeebecher durch die Gänge, gerne auch das Handy am Ohr. "Da wird man das Gefühl nicht los, dass die Leute oftmals nicht mehr zwischen Kaufhaus, Bahnhofshalle und einer Kirche unterscheiden und ihr Verhalten entsprechend anpassen können."