Der Malteser-Großkanzler über die Krise des Ordens

Von Boeselager: Bin ein kirchentreuer Katholik

Veröffentlicht am 21.02.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Orden

Rom ‐ War er dem ehemaligen Großmeister Matthew Festing zu liberal? Oder wollten die deutschen Malteser rund um Albrecht von Boeselager sogar eine Revolte anzetteln? Ein Interview mit dem Großkanzler.

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Erst wurde Albrecht von Boeselager wegen einer angeblichen "Kondom-Affäre" als Großkanzler abgesetzt. Dann trat der dafür verantwortliche Großmeister des Malteserordens selbst zurück. Nun ist von Boeselager wieder im Amt. Mit katholisch.de sprach er über Aidsverhütung in Malaysia, Kardinal Raymond Leo Burke und eine Revolte im Orden, die es gar nicht gibt.

Frage: Herr von Boeselager, Ende April wird der Malteserorden als Nachfolger für den zurückgetretenen Matthew Festing einen neuen Großmeister wählen. Gibt es schon einen Favoriten für den Posten?

Von Boeselager: Den gibt es noch nicht. Es ist auch noch nicht sicher, ob es überhaupt ein Großmeister wird. Möglichweise wählen wir erst einmal einen Statthalter, der die Aufgabe für ein Jahr übernimmt, um in dieser Zeit über die notwendigen Reformen innerhalb des Ordens nachzudenken. Auch diese Option ist laut Statuten möglich.

Frage: Matthew Festing ist im Januar zurückgetreten – auf Wunsch des Papstes. Vorher hatten sich die Malteser gegen jede Einmischung von außen gewehrt. Hat hier Katholizität über Souveränität gesiegt?

Von Boeselager: Das sind nicht die Kategorien, in denen man die Angelegenheit beschreiben sollte. Die Malteser sind einerseits ein religiöser Orden und unterliegen denselben Regeln wie andere katholische Orden. Auf der anderen Seite ist der Orden ein Souverän. Das sind zwei Seiten einer Medaille, die man nicht trennen kann. Papst Franziskus hat sich aber vor allem deshalb der Sache angenommen, weil meine Amtsenthebung als Wunsch des Papstes dargestellt wurde. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass es diesen Wunsch nie gab. Das Gegenteil war der Fall. Dadurch war der Vatikan involviert und musste das klarstellen. Darüber hinaus ist dem Vatikan unsere Souveränität aber ein großes Anliegen, weil er genau weiß, dass viele unserer Aktivitäten die Souveränität voraussetzen oder zumindest dadurch begünstigt werden. Das würde der Papst nicht gefährden wollen.

Frage: Nachdem Sie vor gut zwei Wochen wieder offiziell in Ihr Amt zurückgekehrt waren, haben Sie gesagt, dass der Großmeister schlecht beraten worden sei. Was meinen Sie damit?

Von Boeselager: Das Problem lag darin, dass sich in den vergangenen Jahren eine große Distanz zwischen dem Großmeister und der gewählten Ordensregierung entwickelt hatte. Darüber hinaus gab es einen engen Kreis von Beratern rund um den Großmeister, der verfassungsgemäß nicht vorgesehen war und ihn falsch beraten hat.

Bild: ©KNA

Albrecht Freiherr von Boeselager war von 1976 bis 1990 als Rechtsanwalt tätig. 1987 übernahm er den väterlichen Land- und Forstwirtschaftsbetrieb. Im Malteserorden war er von 1989 bis 2014 Großhospitalier. Seitdem ist er Großkanzler. Von Boeselager ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Frage: In den Medien taucht immer wieder der Name des Kardinalpatrons ihres Ordens auf: Raymond Leo Burke. War er einer der schlechten Berater?

Von Boeselager: Darüber weiß ich nichts Genaues. Was ich sagen kann, ist, dass er wohl selbst von Informationen ausgegangen ist, die nicht der Wahrheit entsprachen. Und dass er eng an der Seite des Großmeisters stand. Ich vermute deshalb, dass der Kardinal über die Bitte des Papstes an Großmeister Festing, von seinem Amt zurückzutreten, nicht sehr glücklich war.

Frage: Noch immer ist nicht klar, warum man Sie selbst überhaupt Ihres Amtes enthoben hatte. Angeblich ging es um das Verteilen von Kondomen. Was ist da dran?

Von Boeselager: Man ist in dem ganzen Komplex rund um Malteser International von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Die Fakten sind die: Im Jahr 2013 haben uns amerikanische Ordensmitglieder darauf aufmerksam gemacht, dass es im Internet Hinweise auf die Zusammenarbeit mit einer Hilfsorganisation in Kenia gibt, die Kondome verteilt. Malteser International ist dem nachgegangen und konnte die Vorwürfe widerlegen. Der Aufsichtsrat hat danach jedoch Malteser-Programme weltweit auf ähnliche Probleme hin untersucht. Dabei ist herausgekommen, dass insbesondere in Myanmar drei Projekte existierten, bei denen Kondome verteilt wurden. Zwei wurden sofort eingestellt. Ein drittes ist einer Ethik-Arbeitsgruppe zur Evaluierung übergeben worden.

Frage: Was hat es mit diesem dritten Projekt auf sich?

Von Boeselager: Es handelt sich um ein Projekt im Norden Myanmars, einem der elendsten und ärmsten Gebiete der Welt. Dort haben die Geldgeber darauf bestanden, dass die Aids-Prävention ein integraler Bestandteil sein soll. Wir reden hier von einem Jahresvolumen von zwei Millionen Euro für die Basis- und Gesundheitsdienste, von denen ein Prozent für die Aidsverhütung – unter anderem mit Kondomen – vorgesehen war. Wir wollten das Projekt also mit Bedacht abwickeln, ohne dass die Gesamtbevölkerung großen Schaden erleidet und am Ende gar keine Gesundheitsversorgung mehr erhält. Darüber hinaus wussten aber weder ich persönlich noch der Vorstand von Malteser International von dem Projekt. Es war von der Landesbeauftragten für Myanmar selbstständig und gegen die offizielle Politik der Malteser initiiert worden. Am Ende wurde etwas aufgebauscht, um daraus eine Affäre zu machen.

Frage: Die ganze Debatte hat Ihrem Orden gehörig geschadet. Man fragt sich also, wer davon profitiert hat, die Vorgänge so aufzubauschen. War es ein kirchenpolitischer Streit? Wollte man Sie loswerden, weil sie zu liberal sind?

Von Boeselager: Auch hier finde ich ein Kategoriendenken, das von "Konservativen" und "Liberalen" in der Kirche spricht, eher problematisch. Wenn ich aber eine Einschätzung abgeben müsste, dann würde ich von mir selbst sagen, dass ich ein kirchentreuer Katholik bin. Meine Freunde würden das sicher bestätigen. Wenn man also diese Kategorien schon benutzen will, stünde ich wohl eher auf der konservativen Seite. Was jedoch stimmt: Die Angelegenheit wurde als ein Vorwand genommen, um gegen mich vorzugehen.

Die Ordensleitung des souveränen Malteserordens bei einer Audienz bei Papst Franziskus.
Bild: ©KNA

Da war die Welt scheinbar noch in Ordnung: Papst Franziskus empfängt die Leitung des Malteserordens - darunter auch den Großkanzler Albrecht von Boeselager (5.v.l.) und Großmeister Matthew Festing (6.v.l.).

Frage: Warum wollte man dann gegen Sie vorgehen?

Von Boeselager: Das Problem lag in der schon angedeuteten Divergenz zwischen Ordensregierung und Großmeister. Ich war der Protagonist dieser Regierung. Daher war ich das Ziel.

Frage: Auch wenn sie das Wort nicht mögen: Den Deutschen wirft man im Allgemeinen gerne vor, einen sehr liberalen Katholizismus zu vertreten. Nun gibt es das Gerücht, dass Sie gemeinsam mit anderen deutschen Maltesern eine Machtübernahme geplant hätten. Könnte das ein Grund für Ihre Amtsenthebung gewesen sein?

Von Boeselager: Das ist totaler Nonsens. Das wird von – wie man so sagt – "interessierten Kreisen" als Vorwand hochgespielt. Wer das ganz rational betrachtet, muss doch sehen: Die deutschen Malteser haben ihre Werke in Deutschland. Sie haben ein Auge darauf, dass diese gut laufen. Was in anderen Ländern – zum Beispiel in Italien – läuft, ist wirklich nicht das, worüber sie sich tagtäglich Gedanken machen. Die angesprochene Entfremdung zwischen Großmeister und Ordensregierung hat darüber hinaus losgelöst von irgendwelchen nationalen Zugehörigkeiten stattgefunden.

Frage: Das Gerücht geht ja noch weiter: Man will wieder einen deutschen Großmeister. Doch laut aktuellen Statuten kommt niemand dafür in Frage. Also wollen die Deutschen die Statuten ändern.

Von Boeselager: Es ist kein Geheimnis, dass wir über gewisse Änderungen der Statuten nachdenken müssen. Bisher lauten die Voraussetzungen zur Wahl des Großmeister: Er ist Professritter, lebt eine entsprechende Zeit in den Ewigen Gelübden und gehört dem Adel an. Das wird sich auch bei der Wahl im April noch nicht ändern. Danach wird man intensiv über einzelne Punkte diskutieren müssen. Das alles hat aber nichts mit den Deutschen zu tun oder damit, dass wir den religiösen Charakter des Ordens abschaffen wollen. Dass der Großmeister etwa aus einem Kreis gewählt werden soll, der die Mitglieder ohne Profess einschließt, ist für mich unvorstellbar.

Linktipp: Souverän auf Augenhöhe?

Der Konflikt um die Entlassung des Großkanzlers des Malteserordens wurde mit harten Bandagen gekämpft. Doch wer hat das Recht auf seiner Seite? Der Papst oder der Orden? (Artikel aus dem Januar 2017)

Frage: Wo liegt dann das Problem?

Von Boeselager: Der Personenkreis, der für das Amt des Großmeisters infrage kommt, ist sehr klein. Es gibt heute lediglich zwölf Personen, die passiv wahlberechtigt sind und davon scheiden die meisten aus Altersgründen oder anderen persönlichen Gründen aus. Es ist derzeit so, dass wir eine sehr strenge Adelsvoraussetzung haben, die bei der letzten Änderung unserer Verfassung im Jahr 1997 zwar diskutiert, aber dann nicht angefasst wurde. Wenn wir also über Reformen sprechen, dann darf ich hier auf unseren Statthalter Ludwig Hoffmann-Rumerstein verweisen, der das vor wenigen Tagen selbst öffentlich getan hat.

Frage: Wie geht es jetzt mit Ihnen persönlich weiter? Sie wurden zwar wieder in Ihr Amt eingesetzt, aber das Vertrauen in den Orden und die Mitbrüder muss doch erschüttert worden sein.

Von Boeselager: Es sind sicher große Verwirrungen entstanden. Eine Hauptaufgabe wird es deshalb sein, Frieden und Einigkeit herzustellen. Das bezieht sich aber nicht nur auf mich, sondern auf die gesamte gewählte Ordensregierung. Dabei können wir aber zum Glück auf breite Unterstützung innerhalb des Ordens zurückgreifen. Meine Aufgabe ist es jetzt nicht, Polarisierungen voranzutreiben, sondern das Gegenteil zu tun. Es müssen Fakten klargestellt werden. Es muss gut kommuniziert werden. Es muss wieder Ruhe einkehren. Ich bin aber zuversichtlich, dass das gelingt.

Frage: Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft der Malteser frei hätten. Wie lautet der?

Von Boeselager: Das ist ganz einfach. Wir stehen vor riesigen Herausforderungen hinsichtlich der Nöte in der Welt und der Verbreitung der christlichen Botschaft. Das geschieht bei uns hauptsächlich im Zeichen der Nächstenliebe, aber auch im Wort. Ich hoffe, dass der Orden schnell konsolidiert wird, damit wir alle Kräfte genau dafür einsetzen können.

Von Björn Odendahl