Konsequenzen für Demütigung Johannes Pauls II.
Lange hat es in Warschau kein so provokantes Theaterstück mehr gegeben. Eine Schauspielerin des "Teatr Powszechny" simuliert in einer Szene rund eine Minute lang Oralsex mit einer Statue des heiliggesprochenen Papstes Johannes Paul II. (1978-2005), der in seiner Heimat Polen verehrt wird. In einer anderen geht es darum, was einem Auftragskiller gezahlt werden müsse, damit er den Chef der nationalkonservativen Regierungspartei, Jaroslaw Kaczynski, ermorde.
Erst sah es so aus, als wollten Polens Bischöfe das Thema nicht aufbauschen. Sie schickten zunächst nur den Pressesprecher des Episkopats vor, der zum Gebet für ein Ende der "Gotteslästerung" aufrief, meldeten sich aber selbst nicht zu Wort. Am Donnerstag verurteilte schließlich auch Kardinal Stanislaw Dziwisz, der ehemalige Sekretär von Johannes Paul II., "die ekelhafte Herabwürdigung der Person des heiligen Johannes Paul II". Es sei eine "grobe Ungerechtigkeit", dem einstigen Kirchenoberhaupt Schlechtes zu unterstellen. "Traurig muss ich feststellen, dass im Namen der angeblichen Kunstfreiheit absichtlich die Gefühle von Katholiken verletzt werden", beklagte der ehemalige Erzbischof von Krakau.
Petition gegen das Theater
Der Leiter des kirchlichen Johannes-Paul-II.-Zentrums in Krakau, Jan Kabzinski, startete eine Unterschriftensammlung gegen das Stück. "Ich verlange, dass die Finanzierung des Theaters mit öffentlichen Geldern beendet und der Theaterdirektor abberufen wird", wird in der Petition an die liberale Warschauer Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz appelliert. "Besonders skandalös" sei, dass die Hauptstadt ein solches Theater unterhalte. "Es besteht kein Zweifel, dass diese Art von Provokation, nämlich Pornografie, gotteslästerliche Szenen, die Verhöhnung der Kirche - und hierfür der Missbrauch einer Figur des heiligen Johannes Paul II. - sowie die Anstiftung zum politischen Hass, nicht stattfinden dürfen."
Die Unterschriften sollen am Sonntag nach jeder Messe im Krakauer Johannes-Paul-II.-Heiligtum gesammelt werden, kündigte Kabzinski an. Außerdem werde in den Gottesdiensten für ein Ende der "Gotteslästerung" gebetet. Polens Laienbewegung "Katholische Aktion" pocht ebenfalls darauf, dass das Theater das Stück aus seinem Repertoire streicht. "Die Aufführung ist nichts anderes als eine gezielte Provokation mit eindeutigen Kennzeichen einer Hassrede", so ihr Sprecher. "Sowohl der Regisseur als auch die Schauspieler haben die Grenze des gesunden Menschenverstands überschritten."
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Das "Teatr Powszechny" (Allgemeines Theater) berief sich in einer ersten Stellungnahme auf die Kunstfreiheit, die von Polens Verfassung garantiert werde. "Alles, was wir im Theater machen, ist Fiktion. Fiktion kann wehtun und Gefühle in einer Gesellschaft verletzen. Aber es ist weiterhin Fiktion." Am Donnerstagabend sollte das Stück zum vierten Mal seit der Premiere vom Samstag vor ausverkauftem Haus gezeigt werden. Das Theater ist eines der renommiertesten Schauspielhäuser Polens, das jährlich mit zwei Millionen Euro Steuergeld gefördert wird.
Gericht muss entscheiden
In der Inszenierung des kroatischen Regisseurs Oliver Frljic (40) wird die Kirche unter anderem wegen sexuellen Kindesmissbrauchs angeprangert. In einer Szene wird die Papststatue an einem Strick aufgehängt und an ihr das Schild "Verteidiger von Pädophilen" befestigt. Die Aufführung von "Der Fluch" weicht deutlich von der Vorlage des polnischen Dramatikers Stanislaw Wyspianski ab, der auch für die von ihm entworfenen Glasfenster in der Krakauer Franziskanerkirche berühmt ist.
Die Stadt Warschau denke bislang nicht an die Abberufung des Theaterchefs oder sonst eine Intervention, erklärte ihr Sprecher. Ob die Theatermacher religiöse Gefühle verletzt hätten, entscheide allein ein Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch Ermittlungen wegen des Stücks aufgenommen. Zuvor hatte ein Politiker der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine Strafanzeige angekündigt. Das Stück schüre Hass, rufe zum Mord auf und schände christliche Symbole, so der Abgeordnete Dominik Tarczynski. "Niemand würde es wagen, so mit Muslimen oder Juden umzugehen." Eine Parteikollegin und die rechtspopulistische Kukiz-Bewegung verurteilten, dass die Bühne mit Hilfe von öffentlichen Geldern christliche Symbole schände.
Der liberalen Oppositionsabgeordneten Joanna Scheuring-Wielgus gefiel das Stück hingegen so gut, dass sie es gleich ein zweites Mal anschaute. Für sie ist es Kunst und keine Straftat. Jedes Wort zur Skandalinszenierung verkniff sich bislang Kulturminister Piotr Glinski. Im November 2015 - kurz nach seinem Amtsantritt - war er gegen die Aufführung von Elfriede Jelineks «Der Tod und das Mädchen» in einem Theater in Breslau (Wroclaw) vorgegangen. Grund waren angebliche sexuelle Handlungen auf der Bühne. Aus Sicht Glinskis verstieß die Inszenierung gegen "Prinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens". Doch die Bühne hielt mit Erfolg an dem Stück fest.