Rückkehr zur ersten Liebe
"Am Aschermittwoch ist alles vorbei" - kaum jemand, der ihn nicht kennt, den Karnevalsschlager von Jupp Schmitz aus dem Jahr 1953. Über all die Jahre hinweg ist der Titel gar zu einem geflügelten Wort für Vergänglichkeit und Endlichkeit geworden. Doch wer ehrlich mit sich selbst und seinem Leben ist, wird sagen müssen, dass am Aschermittwoch eben nichts wirklich vorbei ist.
Zugegeben, die ausgelassenen Tage des Karnevals sind beendet und die 40-tägige österliche Bußzeit beginnt. Das Aschekreuz weist mich auf die Vergänglichkeit meines Lebens hin und in der Fastenzeit verzichten viele auf etwas, von dem sie meinen, dass es nicht gut für sie sei. Dennoch bin ich an Aschermittwoch immer noch der, der ich vorher war, mit all dem, was mich ausmacht. Mein Leben ist eben nicht auf einmal anders oder sogar vorbei, es ist immer noch mein Leben mit allen Höhen und Tiefen. Mit allen Talenten und Fehlern. Mit gelungener und misslungener Geschichte.
Heilung der Erinnerungen
"Healing of Memories - Heilung der Erinnerungen" - unter diesem Leitwort feiern evangelische und katholische Christen in unserem Land am 11./12. März dieses Jahres ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienste. Im gemeinsamen Blick auf eine 500-jährige Reformationsgeschichte schauen wir auf das, was Christen einander an Leid und Verletzungen angetan haben. Dabei kann die vielfache Konfliktgeschichte nicht ungeschehen gemacht werden. Und die Konfessionen bleiben vorläufig verschieden. Aber wir erinnern uns dessen und daran, was unsere gemeinsamen Wurzeln sind und uns bis heute verbindet statt trennt. Im ehrlichen Anschauen der Geschichte und mutigen Aussprechen begangenen Unrechts suchen wir nach Wegen der Heilung und Orientierung für Gegenwart und Zukunft.
Healing of Memories - dahinter verbirgt sich eine Erinnerungskultur, für die auch der Aschermittwoch stehen kann. Denn dieser Tag ändert nicht per se die Lebensweise, geschweige denn den je eigenen Lebensweg. Am Aschermittwoch ist eben nichts einfach vorbei. Aber er fordert heraus, sich des Bisherigen zu erinnern und zu stellen, damit Heilung und Neuanfang möglich werden.
"Bedenke Mensch, dass Du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst" - das wird uns mit dem Zeichen des Aschekreuzes zugesprochen. Angesichts unserer Endlichkeit und Vergänglichkeit und den damit verbundenen Unzulänglichkeiten unseres Lebens ermutigt der Aschermittwoch dazu, umzukehren und einen neuen Anfang zu wagen. Umkehr ist dabei die Abkehr vom Bisherigen und Rückkehr zum Ausgangspunkt. Und der Ausgangspunkt meines Lebens ist mein Schöpfer, Gott, der mich unbedingt und unendlich liebt.
Rückkehr zur ersten Liebe des Lebens
Das ist die Botschaft des Evangeliums, die frohe Botschaft, für die Jesus Christus mit seinem Leben eingestanden ist! Deshalb bleibt es an Aschermittwoch nicht einfach bei der Aufforderung: "Kehrt um!". Die Aufforderung hat ein Ziel: "Und glaubt an das Evangelium!" (Mk 1,15). Glaubt an Jesus Christus, der euch liebt, der Verzeihung, Barmherzigkeit und Erlösung schenkt. Glaubt an Jesus Christus, der das Leben ist. In diesem Glauben ist Umkehr mehr als nur Verhaltensänderung. Sie ist Rückkehr zur ersten Liebe meines Lebens, Jesus Christus. Nicht, weil ich ihn zuerst geliebt habe, sondern weil er mich immer schon zuerst liebt. In dieser Rückkehr, in dieser Erinnerung der ersten Liebe können das Misslungene meines Lebens, die Umwege und Irrwege liebevoll angeschaut und geheilt werden.
Vom Osterereignis herkommend bekommt der Aschermittwoch erst seinen Sinn. In der Auferstehung Christi wird die Asche unseres Lebens mit neuem Leben erfüllt, Totes wird lebendig, Krummes wird gerade, Wunden werden geheilt.
Die mit dem Aschermittwoch beginnende Fastenzeit ermöglicht die Entfaltung der Botschaft dieses Tages. Mir wird Zeit geschenkt zu fasten, mich neu "fest"-zumachen in dem Grund meines Lebens, in Jesus Christus, der mich vom Kreuz her liebend anschaut und dem ich alles hinhalten kann, was mich hindert, ich selbst zu sein, was mich klein macht. In dieser heilenden Erinnerung liegt ein neuer Anfang.
Wagen wir Umkehr, wagen wir Glauben
In der Überwindung all dessen, was uns klein macht, dürfen wir groß denken voneinander, von uns selbst, vom Leben, von Gott. Denn auch er denkt groß vom Menschen, selbst dann, wenn ihm die Asche der Vergänglichkeit anhaftet. Ja, erst recht genau dann, wenn der Mensch in sich selbst gefangen ist und sich zu verirren droht. Dann ist Gott da, am Kreuz, und schafft Momente der Auferstehung mitten im Leben.
Am Aschermittwoch ist alles vorbei? Wagen wir Umkehr, wagen wir Glauben, dann können wir hoffen, am Aschermittwoch wird alles neu. Über alles bisher Gelebte hinaus!