200.000 Katholiken - 30 Priester
Das Bischofshaus der Diözese Óbidos liegt auf einer Anhöhe der gleichnamigen Stadt am Amazonas. Man hat einen schönen Blick über die Stadt und das Umland - und doch reicht die Aussicht noch lange nicht, um das Bistum in Gänze zu erfassen. Denn es umfasst eine Fläche, die halb so groß ist wie Deutschland. Die Seelsorge für die rund 200.000 Katholiken muss also gut organisiert sein, vor allem angesichts der 30 Priester, die dafür hauptamtlich zuständig sind.
Noch ist die Situation im deutschen Partnerbistum Würzburg nicht so dramatisch wie am Amazonas. Doch auch hier zeichnet sich eines ab: Immer weniger Priester sind für die Katholiken in Unterfranken zuständig. Mit dem vor einem Jahr angestoßenen Prozess "Pastoral der Zukunft" wird unter anderem überlegt, wie man mit dieser Situation am besten umgehen kann. Im Gegensatz zur brasilianischen Partnerdiözese gibt es außerdem das Problem, dass auch die Zahl der Gläubigen abnimmt. In den vergangenen zehn Jahren ist ihre Zahl um rund 90.000 auf rund 767.000 im Jahr 2015 gesunken.
Gegenseitiges Lernen
Auch wenn die Ausgangssituationen der beiden Bistümer nicht gänzlich übereinstimmen, könnten beide dennoch voneinander lernen. Dieser Meinung ist Domkapitular Christoph Warmuth. Er ist unter anderem stellvertretender Leiter der Hauptabteilung Seelsorge, verantwortlich für Gemeindeentwicklung und Pastorale Konzeption - und Leiter der Diözesanstelle Mission-Entwicklung-Frieden. Das Partnerbistum Óbidos und die seelsorgerische Situation am Amazonas sind ihm also vertraut. Für Warmuth steht fest: Eins zu eins dürfe man die Diözesen nicht miteinander vergleichen. "Die Geschichte, die die beiden Bistümer haben und aus der sich die heutigen Situationen entwickelt haben, ist höchst unterschiedlich", betont der Domkapitular.
Es sei für ihn dennoch spannend zu beobachten, dass die Verantwortlichen im Bistum Óbidos versuchen, die Größe der Pfarreien zu verkleinern, erzählt er. Im Dezember war er gemeinsam mit Referentin Christiane Hetterich in Brasilien und traf dort auch mit Bischof Bernardo Johannes Bahlmann zusammen. "Der lebendige Kontakt ist das A und O für die Seelsorge in Brasilien", sagt Warmuth. Mindestens ebenso wichtig: das hohe Engagement der Laien in den einzelnen Gemeinden. Eine Gestaltung des kirchlichen Lebens nur vom Pfarrer zu erwarten sei keine Lösung, ergänzt er.
Ohne Laien ginge es nicht
Dass die Laien am Amazonas - und auch im restlichen Lateinamerika - eine so große Rolle spielen, ist auch der Geschichte geschuldet. "Es gab hier in Amazonien eine Zeit mit sehr, sehr wenig Priestern", berichtete Bischof Bahlmann jüngst beim Besuch in seinem Bistum. Rund 100 Jahre sei die Kirche aufgrund von bestehenden Gesetzen innerhalb des Kaiserreichs und auch während der Kolonialzeit hauptsächlich von Laien getragen und gelebt worden. "Aus diesem Grund sind wir auch heute noch sehr laienorientiert."
Christiane Hetterich vom Referat Mission-Entwicklung-Frieden der Diözese Würzburg hat sich viel mit dem Engagement der Laien auseinandergesetzt. Sie hat mehrere Jahre in Brasilien gelebt und kennt die Situation der Kirche in dem Land, das 24 Mal so groß wie Deutschland ist. "Ich glaube, dass wir von Óbidos und dem Weg der Kirche in Brasilien lernen können", sagt sie. Als Beispiel nennt sie Schwester Erika Czermak aus Umpfenbach (Landkreis Miltenberg), die seit 51 Jahren in Brasilien lebt.
"Sie war über zehn Jahre Gemeindeleiterin und hat vom Bischof der Prälatur São Felix do Araguaia die Erlaubnis erhalten, zu taufen und bei der Eheschließung zu assistieren", ergänzt die Pastoralreferentin. Kirchenrechtlich ist das möglich – und nach Hetterichs Ansicht auch in Deutschland eine Option: "Darüber kann man nachdenken." Im Kirchenrecht (CIC) ist festgelegt, dass ein Bischof allein diese Entscheidung nicht treffen kann. Es braucht zum Beispiel im Fall der Assistenz bei einer Eheschließung die Stellungnahme der jeweiligen Bischofskonferenz und die Erlaubnis des Heiligen Stuhls.
Pastoral der Zukunft
Bischof Friedhelm Hofmann nennt die Partnerbistümer als Beispiel in seinem erst vor kurzem veröffentlichten Brief an die Gläubigen der Diözese Würzburg zur Pastoral der Zukunft. Er betont besonders die Bedeutung der Heiligen Schrift in Óbidos und im tansanischen Partnerbistum Mbinga. "Sie ist die Nahrung des Volkes Gottes unterwegs", sagt Bischof Hofmann. "Das müssen wir zunehmend in die Pastoral aufnehmen." Zudem regt er an, die Talente der engagierten Frauen und Männer noch stärker zu fördern. Die Kirche könne diese Qualitäten "gar nicht genug schätzen".
Ähnlich sieht hier auch die Situation im Bistum Óbidos aus. Jeder ist eingeladen, sich einzubringen, ob als Lektor, Musiker oder in der sozialen Arbeit einer Gemeinde. Immer wichtig dabei: die richtige Qualifizierung. "Natürlich müssen wir darauf achten, dass die Liturgie stimmt und nicht irgendwie gefeiert wird", betont Bischof Bahlmann. Aus diesem Grund werden Laien am Amazonas speziell geschult, damit sie für ihre jeweilige Aufgabe gut vorbereitet sind.
Dazu gehört mitunter auch die Leitung der kleinen Gemeinden, der sogenannten "comunidades", wie Hetterich berichtet. "Aktuell werden zwei Pfarreien mit jeweils 15 bis 25 ,comunidades' sogar von Ordensschwestern geleitet." Einen weiteren Vorteil sieht die Referentin in der Verteilung von Verantwortung. "Je mehr Verantwortung delegiert wird, desto mehr Menschen sind dabei und identifizieren sich mit der Kirche."
Für das Bistum Würzburg steht im Laufe des Jahres nun eine Vakanz an, da Bischof Hofmann mit dem Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren offiziell seine Emeritierung bei Papst Franziskus einreicht. In seinem Brief an die Gläubigen bittet er darum, dass die Zeit ohne Oberhirten genutzt werde, "um die pastoralen Räume gemeinsam zu gestalten". Entscheidend sei, dass diese Räume entdeckt und mit dem Leben des Glaubens gefüllt werden. "Sie vor Ort wissen, wie dies geschehen kann und muss", schreibt der Bischof weiter. Mitunter fällt der Blick da dann auch auf die Situation im Partnerbistum Óbidos. Auch wenn die beiden Diözesen eine unterschiedliche Geschichte haben: Von der brasilianischen Art des Kircheseins könne man in Deutschland lernen, sagt Domkapitular Warmuth.