Ruhrbistum fragt Ausgetretene nach ihren Gründen
"Tausende Frauen und Männer verlassen jedes Jahr die Kirche im Bistum Essen. Damit finden wir uns nicht ab." In diesem Geist fragt das Ruhrbistum nun gezielt ausgetretene Katholiken nach ihrer Motivation. Am Mittwoch wurde dazu eine Online-Umfrage gestartet, die Gründe für den Kirchenaustritt erklären soll. Wie die Diözese mitteilte, richte sich die Umfrage neben Ausgetretenen ausdrücklich auch an Gläubige, die nur selten Kontakt zur Kirche haben. Die Befragung ist ab sofort unter kirchenstudie.bistum-essen.de offen zur Teilnahme.
"Was finden Menschen an der Kirche so gut, dass sie bleiben – und was stört andere so sehr, dass sie gehen?" Diese Frage steht im Mittelpunkt der Befragung, die Teil einer größer angelegten wissenschaftlichen Studie ist. Sie wird getragen von der "Initiative für den Verbleib in der Kirche": ein Ergebnis des "Prozesses Zukunftsbild" der vergangenen Jahre. Vor der Entwicklung konkreter Strategien habe die Initiative eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik angestrebt, heißt es auf der zugehörigen Internetseite.
Rünker: Die Austritte schmerzen uns
Verantwortlich für die Studie zeichnet ein Team aus drei hauptamtlichen Mitarbeitern der Diözese, zu denen auch Thomas Rünker aus der Stabsabteilung Kommunikation zählt. "Wenn jemand aus der Kirche austritt, schmerzt uns das als Glaubensgemeinschaft, weil dieser Austritt eine Trennung dokumentiert", sagte er zum Start der Umfrage. Diese wolle nun den "langen Weg der Entfremdung" erkunden, der letztlich zum eigentlichen Austritt führt. Rünker erinnerte daran, dass die zahlreichen Kirchenaustritte für das Bistum auch ein finanzielles Problem darstelle. Mit der Katholikenzahl gingen auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer jährlich um sechsstellige Beträge zurück.
Die Studie habe jedoch nicht nur die Finanzen im Blick, sondern wolle zudem für offenere Haltung unter aktiven Kirchenmitgliedern sensibilisieren, erklärte Rünker weiter: "Es wäre schon etwas erreicht, wenn regelmäßige Gottesdienstbesucher diejenigen, die etwa nur an Weihnachten kommen, als gleichberechtigte Kirchenmitglieder anerkennen."
„Dieser Fragebogen ist offen für alle - ob engagiertes Kirchenmitglied, Skeptikerin oder längst Ausgetretener.“
Die internetbasierte Umfrage wurde von einem Wissenschaftlerteam rund um den Siegener Religionspädagogen Ulrich Riegel erarbeitet. In der kurzen Befragung wollen die Forscher zunächst wissen, ob und weshalb der Teilnehmer aus der Kirche ausgetreten oder in ihr verblieben ist. Daneben fragen sie die Einstellung der Probanden zu einer Reihe von Diensten und Aufgaben der Kirche ab. Die Befragten sollen etwa angeben, welchen Stellenwert "guter Service" bei einer Hochzeit oder einem Trauerfall für sie hat oder wie wichtig ihnen der feierliche Weihnachtsgottesdienst ist. Weitere Fragen richten sich nach der Kirche als Raum für persönliches Engagement oder als religiöse Heimat für Freunde und Familie. Zudem können sich die Teilnehmer am Ende des kurzen Fragebogens freiwillig melden, ein weiterführendes Gespräch mit den Forschern zu führen.
Erste Ergebnisse sollen zur Jahresmitte vorliegen
"Alle Ergebnisse fließen in ein Gesamtbild ein, das der katholischen Kirche im Ruhrbistum hilft, künftig besser auf die Interessen ihrer Mitglieder einzugehen", heißt es auf der Projektseite der Umfrage. Bis wann die gesamte Studie abgeschlossen sein soll, ist derzeit noch nicht bekannt. Erste Ergebnisse will man allerdings schon bis Mitte des Jahres 2017 veröffentlichen. "Wir wollen aus den Ergebnissen möglichst schnell Ideen entwickeln, wie sich unsere Kirche auf allen Ebenen weiter entwickeln kann, um auch für die Mitglieder attraktiv zu bleiben, die mit unseren bisherigen Angeboten wenig anfangen können", sagte Rünker.
Neben der Online-Umfrage umfasst die Studie noch zwei weitere Teile. Dazu gehört eine Metastudie, in der sich Wissenschaftler des Zentrums für angewandte Pastoralforschung in Bochum mit bereits vorhandenen Untersuchungen zur Kirchenmitgliedschaft auseinandersetzen. Der abschließende dritte Teil besteht in einer "systematisch-theologischen Betrachtung" aller Ergebnisse, welche durch die Experten des Berliner "Instituts M.-Dominique-Chenu" vorgenommen werden soll.
Im Jahr 2015 zählte die katholische Kirche in Deutschland knapp 24 Millionen Mitglieder. Zugleich verzeichnete sie 182.000 Austritte, davon allein rund 5.000 im Bistum Essen. Zur Veröffentlichung der Statistik erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, diese Zahl müsse die Verantwortlichen "weiterhin anhalten, in unserem seelsorglichen Bemühen nicht nachzulassen".