Thomas Schüller über die Eucharistie in gemischtkonfessionellen Ehen

Theologe: Vorschläge liegen längst auf dem Tisch

Veröffentlicht am 12.03.2017 um 13:15 Uhr – Lesedauer: 
Sakramente

Bonn ‐ Der Kommunionempfang ist eine drängende Frage gemischtkonfessioneller Ehepaare. Es gäbe Antworten darauf, erklärt Kirchenrechtler Thomas Schüller. Er kritisiert, dass diese nicht umgesetzt werden.

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Frage: Herr Schüller, die deutschen Bischöfe haben auf ihrer Frühjahrsversammlung über die Möglichkeit von konfessionsverschiedenen Ehepaaren diskutiert, gemeinsam an der Eucharistie teilzunehmen. Warum kommt dieses Thema jetzt wieder auf?

Schüller: Das finde ich nicht überraschend. Die Diskussion läuft in der Deutschen Bischofskonferenz schon seit gut 30 Jahren, und in der Zeit gab es bereits mehrere Entwürfe der Ökumenekommission. Gerade in Deutschland ist diese Debatte durch die konfessionelle Spaltung motiviert und wurde nun unter anderem durch Papst Franziskus wieder angestoßen, nicht zuletzt durch seinen Besuch in Schweden anlässlich des Reformationsjubiläums. Die Bischöfe erinnern sich offenbar daran, dass das kirchliche Gesetzbuch und das Ökumenische Direktorium von 1993 sie ausdrücklich ermutigen - und auch kirchenrechtlich ermächtigen -, Normen aufzustellen, durch die Christen aus einer Kirche, die nicht unser Eucharistieverständnis teilt, doch in einer Notsituation zur Eucharistie zugelassen werden können. Das Interessante ist übrigens, dass es nicht nur an die Bischofskonferenz adressiert ist, sondern dass auch jeder einzelne Diözesanbischof solche Normen erlassen kann. Das steht ausdrücklich im Kirchenrecht (Canon 844 § 4 CIC/1983). Dabei sind sowohl Bischofskonferenz wie einzelner Diözesanbischof nach Canon 844 § 5 CIC gehalten, bevor sie diese Normen in Kraft setzen, mit der evangelischen Kirchenleitung das Gespräch zu suchen und sich zu beraten.

Bild: ©picture alliance/Eventpress

Thomas Schüller ist Professor für Kirchenrecht und Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zuvor war er langjähriger Leiter der Rechtsabteilung des Bistums Limburg.

Frage: Wie kann diese Zulassung kirchenrechtlich genau funktionieren?

Schüller: Laut dem Kirchenrecht dürfen evangelische Christen die Eucharistie nur in einer Notsituation empfangen, in der für sie Todesgefahr besteht, oder aber in einer anderen schweren Notlage, die von einem Bischof oder der Bischofskonferenz kirchenrechtlich festgelegt  werden muss. Aufgabe der Bischofskonferenz oder eines einzelnen Diözesanbischofs wäre es also, eine schwere geistliche Notlage festzustellen. Und da sagen eben viele Theologen, aber auch Bischöfe seit langem: Viele Gläubige, die in einer konfessionsverschiedenen Ehe leben, bemühen sich, ihrer Kirche treu zu bleiben, wollen ihre Kinder aber zugleich gemeinsam christlich erziehen. Diese Paare erleben es dann als geistlich bedrängend - für sich und ihre Kinder und damit auch als Familie, die nach der Lehre der Kirche Hauskirche ist - nicht gemeinsam an die Heilige Eucharistie empfangen zu können.

Frage: Worum geht es dann in der Diskussion genau?

Schüller: Es geht darum, wann genau eine schwere Notlage vorliegt. Ist es ein Ereignis im Familienleben, also zum Beispiel, wenn die katholischen Kinder einer evangelischen Mutter zur Erstkommunion gehen? Darf die Mutter dann auch ausnahmsweise mitgehen? Das Interessante ist nun, dass viele Bischofskonferenzen auf der Welt schon längst solche Notlagen rechtlich festgelegt haben, zum Beispiel die in Kanada oder die in Südafrika. Aber auch der Erzbischof von Straßburg hat hierzu Normen für seine Diözese in Kraft gesetzt. Was davon nicht ausgenommen wäre, sind die anderen Bestimmungen im Kirchenrecht, die lauten: Derjenige, der um die Eucharistie bittet, muss hinsichtlich der Sakramente den katholischen Glauben bekunden und in geeigneter Weise disponiert sein. Beides gilt ja auch für den katholischen Empfänger. Hinzu kommt noch, dass er einen Spender seiner eigenen kirchlichen Gemeinschaft nicht erreichen kann. Und das wirft dann die Frage auf, wie es mit dem evangelischen Christen bestellt ist, wenn er den katholischen Glauben hinsichtlich der Eucharistie bekundet, denn dann ist er ja schon ziemlich katholisch. Dennoch bin ich in meinem langjährigen kirchlichen Dienst Menschen begegnet, die zutiefst protestantisch waren und es auch bleiben wollten, aber die, bezogen auf die Eucharistie, unbestritten ein katholisches Eucharistieverständnis bekundeten. Gerade die fanden dann die Unmöglichkeit der gemeinsamen Kommunion sehr bedrückend.

Frage: Welche Lösungsvorschläge gibt es schon?

Schüller: Ein, wie ich finde, ökumenisch sensibler und zugleich bedenkenswerter Vorschlag des derzeitigen Essener Stadtdechanten Jürgen Cleve lautet wie folgt: Wenn ein evangelischer Christ bekundet, dass er daran glaubt, dass Jesus Christus genauso, wie er im Evangelium gegenwärtig ist, auch in der eucharistischen Gestalt gegenwärtig ist, wäre es eine ausreichende Grundlage, um ihn zur Eucharistie zuzulassen. Das wäre dann ähnlich wie Canon 912 CIC/1983, der festlegt, was Kinder glauben müssen, damit sie zur Heiligen Kommunion gehen können. Außerdem gibt es bereits eine beschlussreife Vorlage im Bistum Rottenburg-Stuttgart, die darauf basiert, dass das betreffende Ehepaar mit dem Pfarrer spricht und ihm sein geistliches Bedürfnis nach einer gemeinsamen Eucharistie schildert und beide das katholische Eucharistieverständnis bekunden.

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Video: © katholisch.de

Was bedeutet Eucharistie? Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger".

Frage: Gibt es noch eine andere kirchenrechtliche Möglichkeit, als diese Zulassung über den Notfall, wie er in Canon 844 § 4 CIC/1983 erwähnt ist, zu gestalten?

Schüller: Es gibt natürlich schon individuelle Lösungen: Zum einen gehen evangelische Gläubige, die nicht mehr warten wollen, - und das geschieht auch schon längst - ohne zu fragen zur Kommunion. Denn welcher Pfarrer in einer Stadtpfarrei kennt schon noch alle seine Gemeindemitglieder? Außerdem gibt es viele konfessionsverschiedene Paare, die bereits mit ihrem Pfarrer darüber gesprochen und von ihm das Einverständnis bekommen haben.

Frage: Die Bischofskonferenz hat anlässlich der Diskussion noch einmal betont, dass sie sich für nachvollziehbare Kriterien ausspricht und gegen kasuistische Lösungen. Wird es jetzt also mehr geben als nur Regelungen im Einzelfall?

Schüller: Tatsächlich gab es Papiere in den letzten Jahrzehnten, die waren sehr kasuistisch, was dazu führte, dass man keinen Konsens finden konnte. Angesichts von "Amoris laetita" wäre es ein gangbarer Weg, es so zu gestalten wie es zumindest die deutschen Bischöfe nach ihrem Schreiben zu diesem wichtigen Dokument bei wiederverheirateten Katholiken verstanden wissen wollten: die betroffenen konfessionsverschiedenen Ehepaare müssten im Gespräch mit ihrem Pfarrer sich prüfen, ob sie sich in einer Situation befinden, die sie ermächtigt, doch gemeinsam zur Kommunion hinzuzutreten. Oder man übernimmt die, wie ich finde, gut gemachte Vorlage aus Rottenburg-Stuttgart. Oder man übersetzt die Normen aus anderen Ländern. Mir ist es inzwischen nicht mehr verständlich, dass gerade die deutschen Bischöfe keine Verständigung in dieser Frage erzielen können. Sie diskutieren schon so lange darüber, und gerade die Kirche im Land der Reformation schafft es nicht, glaubens- und menschengerechte Lösungen aufzuzeigen. Die Vorschläge liegen längst auf dem Tisch und sind ausdiskutiert. Und es ist klar, wie man es formulieren müsste, damit das katholische Verständnis dieses Sakramentes beibehalten bleibt. Es wäre der Kairos, endlich mutig zu handeln!

Von Johanna Heckeley