Eltern gründen nach Tod ihrer Tochter eine Stiftung

"Gott macht keinen Tumor"

Veröffentlicht am 29.03.2017 um 15:50 Uhr – Lesedauer: 
Krankheit

Wangen im Allgäu ‐ Was ist schlimmer als der Tod des eigenen Kindes? Renate und Kurt Peter verlieren ihre 13-jährige, lebensfrohe Tochter Valentina an den Krebs. Dennoch verlieren sie den Glauben nicht.

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Valentina Peter starb eine Woche nach ihrem 13. Geburtstag. Ein Jahr zuvor hatte sie die Diagnose Knochentumor erhalten. Auf dem letzten Foto vor ihrem Tod lacht sie über das ganze Gesicht. Ihre Haare sind wenige Zentimeter kurz, ihre Augen blau unterlaufen, in der Nase stecken Sauerstoffschläuche. Ihre rechte Hand hält ein Cola-Glas, ihre linke Hand ist zu einem Victory-Zeichen in die Höhe gereckt.

Valentina, so erzählen es die Eltern, ist das jüngste von drei Kindern. Ihre beiden Geschwister sind bereits im Jugendalter, als sie auf die Welt kommt. Ihr Vater Kurt nennt sie "unser Überraschungskind". Valentina wächst in Wangen im Allgäu auf und hat es leicht in der Schule: Nach der Grundschule wechselt sie in die Hochbegabtenklasse eines Ravensburger Gymnasiums.

In der Ulmer Uniklinik folgt die Schockdiagnose

In ihrer Freizeit engagiert sie sich bei der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE). Von Anfang an fühlt sie sich in der traditionalistischen Gruppe wohl. Obwohl die Eltern selbst kirchlich engagiert sind und sich in der katholischen Kirche beheimatet fühlen, sind sie überrascht, dass das Mädchen einen Zugang zum konservativen Glaubensbild der KPE findet. "Sie konnte etwas mit der Kirchentreue anfangen", sagt Kurt Peter.

Anfang 2015 klagt Valentina über starke Gelenkschmerzen. Anfangs werden sie von den Eltern auf das Körperwachstum und die Pubertät geschoben. Doch in der Ulmer Uniklinik folgt die Schockdiagnose: Ein bösartiger Knochentumor im Beckenbereich. Überlebenschance: 20 Prozent.

Bild: ©KNA

Renate und Kurt Peter mit einem Foto ihrer verstorbenen Tochter Valentina.

Valentina nimmt die Kriegserklärung des Tumors an, beschreiben die Eltern ihre Tochter. Sie will kämpfen, sagt sie immer wieder. Ihre Eltern stehen ihr bei, fahren täglich die knapp 100 Kilometer vom Allgäu nach Ulm.

Die Nebenwirkungen der Chemotherapie sind immens: Valentina muss ständig erbrechen, verliert an Gewicht, die langen dunkelblonden Haare fallen aus. "Es ist, als gebe man sein Kind in einer Folterkammer ab", sagt ihr Vater rückblickend. Valentina nimmt die Situation mit Humor: Sie kauft sich einen Kaktus, weil der sie an ihre neue Frisur erinnert.

Eltern mussten den Schicksalsschlag annehmen

Während den Klinikaufenthalten geht ihre Mutter Renate Peter zum Luftschnappen ins Ulmer Münster. Sie schöpft dort Kraft, wie sie sagt. Auf den Autofahrten hört sie das Oratorium "Elias" von Felix Mendelssohn Bartholdy. Besonders eine Textzeile brennt sich der heute 54-Jährigen ein: "Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen."

Auch Kurt Peter schöpft in dieser Zeit Zuversicht aus seinem christlichen Glauben: "Alles was passiert, hat einen Sinn", sagt er. Er habe den Schicksalsschlag annehmen müssen, aber "der liebe Gott macht keinen Tumor". Der Glaube habe sie durch die Zeit getragen. Auch Valentina bleibt zuversichtlich. Trotz heftiger Nebenwirkungen der Chemotherapie präsentiert sie sich auf den Fotos immer fröhlich.

Doch dann der Rückschlag. Nach einem halben Jahr zeigt sich, dass die Chemotherapie nicht mehr wirkt. "Das war das Todesurteil für Valentina", sagt ihr Vater. Ende Dezember 2015 ist klar: Valentina wird in den nächsten Monaten sterben. Die Familie nutzt die letzten gemeinsamen Tage: Valentina will ins Schwimmbad, noch einmal Cabrio fahren, ihren letzten Geburtstag feiern.

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Freude und Zuversicht statt lähmender Angst - und die springt auch auf ihre Eltern über. "Es kann nicht sein, dass in der Hand Gottes etwas passiert, was schlecht ist", sagt ihr Vater auch heute noch. Die Familie betet viel. Valentina empfängt mehrere Male die Krankensalbung, ihre Mutter bringt ihr sonntags die Kommunion, die Tage werden mit einem Abendgebet beendet. "Wir mussten aufs Wasser gehen um festzustellen: Es trägt." Am 9. April 2016 stirbt Valentina in der Ulmer Universitätsklinik. Bei der Beerdigung begleiten Pfadfinder ihren Sarg.

Renate Peter schreibt eine Abschiedsrede für die Beisetzung ihrer Tochter. Darin heiß es: "Was der frühe Tod von Valentina für uns bedeutet, wird sich uns erst irgendwann im Rückblick erschließen - vielleicht auch nicht." Bereits kurz nach der Beerdigung wollen sie aus dem Unglück ihrer Tochter etwas Positives machen: Renate und Kurt Peter gründen eine Stiftung für krebskranke Kinder.

Schon nach wenigen Monaten haben sie das angestrebte Startkapital von 50.000 Euro durch Spenden von Bekannten und Sponsoren zusammen. Die Stiftung unterstützt ein Palliativprojekt der Ulmer Uniklinik: Es ermöglicht todkranken Kindern im ländlichen Raum auf der Alb, in Oberschwaben, am Bodensee und im Allgäu eine intensiv-medizinische Versorgung zu Hause. Sie können im gewohnten Umfeld bleiben, wenn sie das wollen und es ihnen dort gut geht. "Valentinas zuversichtliches Leben war wie ein Auftrag für uns", erklärt Renate Peter. Das Logo der "Stiftung Valentina" zeigt einen Kaktus. Ihren Kaktus.

Von Samuel Dekempe (KNA)

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