Allah auf dem Kirchturmdach
In Hamburg wird seit einigen Jahren die ehemalige Kapernaumkirche zu einer Moschee umgebaut. Auf dem Internetportal evangelisch.de zeigt der Journalist Özgür Uludağ nun in einer Multimedia-Reportage, wie es dazu kam, dass die nach dem biblischen Fischerdorf Kafarnaum benannte evangelische Kirche als islamisches Gotteshaus den Namen Al-Nour, Licht, trägt.
Die Umwidmung ist eine Premiere in Deutschland, und wenn es nach dem Willen der beiden großen christlichen Kirchen geht, auch eine einmalige Ausnahme: Katholische Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sprechen sich beide gegen die Nutzung ehemaliger Kirchen als Moscheen aus – auch dann, wenn die Gotteshäuser wie hier in Hamburg nicht mehr benötigt werden und keine christliche oder soziale Nachnutzung möglich scheint.
Zunächst kein neuer Mieter in Sicht
2002 wurde der letzte Gottesdienst in der Kapernaumkirche gefeiert, seither stand das Gebäude leer. Die um 1960 von dem Architekten Otto Kindt gebaute Kirche sollte nach ihrer Entwidmung zunächst für Mietwohnungen und ein Seniorenzentrum genutzt werden, doch die interessierten Investoren sprangen ab. Andere in Hamburg aufgegebene Kirchen wurden zu sozialen Einrichtungen wie Kindertagesstätten umgebaut oder anderen christlichen Konfessionen zur Verfügung gestellt.
Linktipp: Eine Kirche wird zur Moschee
Eine multimediale Dokumentation von Özgür Uludağ zur Umnutzung der ehemaligen evangelischen Kapernaumkirche, die heute die größte arabische Moscheegemeinde Norddeutschlands beherbergt.Über ein Inserat im Internet wurde der islamische Verein Al-Nour auf das Gebäude aufmerksam, 2012 verkaufte die Gemeinde ihre Kirche an den Verein. Seither wird das Gebäude für seine neue Nutzung renoviert. Die Moscheegemeinde feierte ihre Gottesdienste zuvor in einer stillgelegten Tiefgarage im Hamburger Stadtteil St. Georg und wich bei größeren Festen auf Mehrzweckhallen aus. Nach eigener Angabe ist die Gemeinde mit 600 Mitgliedern aus 30 Nationen die "größte arabische Moschee Norddeutschlands".
Die Multimedia-Reportage von evangelisch.de zeigt die Geschichte der Kapernaumgemeinde, die in den 60ern für ihre modernen Beat-Gottesdienste bekannt war, und zeichnet die Entwicklung vom Aufbruch nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Aufgabe nach. In Videointerviews kommen Gemeinde und Pastoren zu Wort. Für das ehemalige Mitglied des Kirchenvorstandes Heinz-Jürgen Kammeyer, der in der Kapernaumkirche getraut wurde, ist die neue Nutzung nicht leicht zu ertragen: "Für mich wäre es leichter gewesen, wenn die Kapernaumkirche wegen Baufälligkeit abgerissen worden wäre", sagt er in einem der Interviews. Die letzte Pastorin der Gemeinde, Susanne Juhl, berichtet von der bedrückten Stimmung während des letzten Gottesdienstes, den sie am zweiten Weihnachtsfeiertag 2002 dort feierte. Eindrücklich sind die Bilder von der Umgestaltung des Kirchturmes: Kreuz und Krone werden abgenommen, der Gottesname in arabischer Kaligraphie verweist auf die neuen Eigentümer.
Keine Umnutzung durch nichtchristliche Religionsgemeinschaften vorgesehen
Von Seiten der katholischen wie evangelischen Kirchenleitung stieß der Verkauf durch die Kirchengemeinde auf teils scharfe Kritik. Der damalige Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, ebenso wie der damals in der DBK für den interreligiösen Dialog zuständige Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sprach von einem "Missgeschick". EKD wie DBK betonen in ihren jeweiligen Richtlinien zur Umnutzung ehemaliger Kirchengebäude, dass ein Übergang an nichtchristliche Religionsgemeinschaften wegen der Symbolwirkung nicht möglich ist.
Die Kapernaumkirche ist nicht das erste umgewidmete christliche Gotteshaus in Deutschland, aber das erste einer Gemeinde der EKD. 1999 wurde eine ehemalige neuapostolische Kirche in Hamburg-Wilhelmsburg von der zur DITIB gehörenden Muradiye-Gemeinde übernommen, 2012 verkaufte die evangelisch-methodistische Gemeinde in Mönchengladbach Räumlichkeiten an eine alevitische Gemeinde.