Kein Kandidat eint Frankreichs Katholiken
Traditionell stimmen Frankreichs Katholiken mehrheitlich für den Kandidaten der Republikaner. 2012 holte der frühere Staatspräsident Nicolas Sarkozy 79 Prozent der Stimmen der regelmäßig praktizierenden Katholiken in der Stichwahl gegen Francois Hollande. Anders diesmal: Ein Skandal ließ den republikanischen Kandidaten Francois Fillon wackeln. Dazu kommt die Konkurrenz durch den unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron und die Kandidatin des rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen.
Macron erkenne den Beitrag der Religionen am Zusammenleben an
Einer in dieser Woche veröffentlichten Umfrage des Instituts Ipsos Sopra-Steria zufolge wollen 23 Prozent der Franzosen im ersten Wahlgang für den unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron stimmen. 22,5 Prozent gaben an, für Le Pen stimmen zu wollen und 19,5 Prozent für Fillon. Der Linken-Kandidaten Jean-Luc Melenchon erhält laut der Umfrage 19 Prozent.
Im Wahlkampf bildeten sich verschiedene katholische Gruppen, die die unterschiedlichen Kandidaten unterstützen - nicht nur den konservativen Ex-Premier Fillon. Die auf die Verbreitung der Bibel spezialisierte Journalistin Anne Soupa rief die Petition "Nous, chretiens En Marche!" (Vorwärts, wir Christen!) ins Leben. Sie unterstützt den unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron. "Die katholischen Stimmen gehören niemandem", heißt es dort. Soupa erklärt, sie unterstütze Macron, weil er den Beitrag der Religionen am Zusammenleben anerkenne. Aber auch er sei "fehlbar"; "wir erwarten keinen Retter".
Auch die linken Kandidaten haben Unterstützer im katholischen Lager. Drei katholische Studenten veröffentlichten in der Zeitung "Le Monde" ein Manifest für Jean-Luc Melenchon und Benoit Hamon. Sie seien die einzigen Kandidaten, die die Aufrufe von Papst Franziskus zum Umgang mit der Umwelt und den Flüchtlingen verfolgten. Die Verfasser erwähnten nicht, dass sich Hamon für aktive Sterbehilfe bei unheilbaren Krankheiten einsetzt und Melenchon ein "Recht auf Abtreibung" in die Verfassung bringen will.
Fillon wird wie zu erwarten von der Gruppe "Sens commun" unterstützt, die aus der Bewegung "Manif pour tous" ("Demo für alle") hervorgegangen ist. Die Organisation protestierte in der Vergangenheit etwa gegen das sogenannte Taubira-Gesetz, das Adoptionen für homosexuelle Paare öffnete. Der Kandidat der Republikaner kündigte in dieser Woche an, auch Mitglieder der Bewegung mit in seine Regierung nehmen zu wollen, sollte er gewählt werden.
Bei der Vorwahlen noch 83 Prozent für Fillon
Stimmten bei den Vorwahlen noch 83 Prozent der regelmäßig praktizierenden Katholiken für Fillon, kann er sich dieser Zustimmung nach dem Skandal um die jahrelange Scheinbeschäftigung seiner Frau nicht mehr sicher sein. Sein Image als katholischer Hoffnungsträger ist angekratzt.
Eine vierte Gruppe sind die intellektuellen Christen von "Confrontations". Sie legen sich nicht auf einen Kandidaten fest, sondern rufen dazu auf, Verantwortung in der Politik wahrzunehmen und zur Wahl zu gehen. Zwölf Bewegungen unterzeichneten den Aufruf.
Ähnlich positionierten sich auch die katholischen Bischöfe in einem 60 Seiten langen Positionspapier zur gesellschaftlichen Lage im Land. Sie fordern die Wähler auf, sich mit den Programmen der Kandidaten auseinanderzusetzen. Zu Beginn der Bischofsvollversammlung im März hielt der Vorsitzende, Erzbischof Georges Pontier von Marseille, ein Plädoyer für Demokratie und gegen den Front National - ohne ihn beim Namen zu nennen.
Katholische Medien gegen den Front National
Dass die Stimmen von Katholiken an den Front National gehen, wollen auch die katholischen Medien verhindern. Im Herbst erhielt jeder Abonnement der katholischen Zeitung "La Croix" ein Magazin mit dem Titel: "Extrem rechts: zuhören, verstehen, handeln". Redakteure erklärten die Ziele des Front National und glichen sie mit christlichen Werten ab. Immerhin: Bei der ersten Runde der Regionalwahlen im Dezember 2015 hatte mehr als ein Viertel der Katholiken FN gewählt.
Die Stimmung vor dem Urnengang ist nach dem tödlichen Anschlag auf Polizisten in Paris am Donnerstagabend angespannt. Bereits zu Wochenbeginn hatte der Fund von Sprengstoff und einer Flagge der Terrormiliz "Islamischer Staat" bei zwei Verdächtigen in Marseille für Schlagzeilen gesorgt. Die Kandidaten sagten mehrere öffentliche Termine aus Sicherheitsgründen ab.