Urteil im zweiten Stiftskreuzprozess am Freitag in Münster

Filmreifer Prozess um das Borghorster Stiftskreuz

Veröffentlicht am 04.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kriminalität

Münster ‐ Auch wenn das Diebesgut aufgetaucht ist: Im Prozess um das Borghorster Stiftskreuz ist noch vieles unklar. Am Freitag wird das Urteil erwartet – doch vom Lösegeld fehlt immer noch jede Spur.

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Am Freitag soll am Landgericht Münster das Urteil im Prozess gegen den mutmaßlichen Auftraggeber zum Raub des Borghorster Stiftskreuzes gesprochen werden. Der Angeklagte, ein 42-Jähriger aus Bremen, war im September 2016 festgenommen worden. Ihm wird "mittäterschaftliche Beteiligung" zur Last gelegt.

Er soll die Tat mit den drei bereits im Oktober 2015 wegen des Diebstahls zu Freiheitsstrafen von viereinhalb und fünf Jahren verurteilten Männern verabredet und das wertvolle Kreuz gegen Bezahlung von ihnen erhalten haben. Da er auch die Rückgabe der kunstvollen Goldschmiedearbeit aus dem 11. Jahrhundert vermittelt hatte, war er im Februar aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von drei Jahren. Die Verteidigung hält den Mann für unschuldig und plädiert auf Freispruch.

Ablauf wie im Krimi

Das Gericht ist um seine Aufgabe, ein Urteil zu sprechen, nicht zu beneiden. Aus den Aussagen und Beteuerungen von Zeugen und dem Angeklagten an den sieben vorangegangenen Verhandlungstagen ergibt sich ein konfuses Bild. Hinzu kommt die ominöse, schon filmreife Übergabe des von der Versicherung gezahlten Lösegeldes von 100.000 Euro an einen mutmaßlichen Mittelsmann ausgerechnet durch den Anwalt des Angeklagten.

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Video: © Kirche+Leben

Das Borghorster Stiftskreuz ist wieder da. Das Kunstwerk aus dem 11. Jahrhundert war seit seinem Raub aus der St.-Nikomedes-Kirche in Steinfurt-Borghorst im Oktober 2013 spurlos verschwunden. Bischof Felix Genn präsentierte das Kreuz am Freitag vor Journalisten in Münster. Es war dem Bistum am Dienstagabend übergeben worden.

In ihrer Beurteilung liegen Verteidigung und Staatsanwaltschaft meilenweit auseinander. Die Staatsanwaltschaft sieht eine Mittäterschaft am Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Für die Verteidigung dagegen ist der Vorwurf nicht bewiesen, dass der Angeklagte Auftraggeber des Diebstahls gewesen sei. Allenfalls sei er wegen Begünstigung zu einer Geldstrafe zu verurteilen. Begünstigter ist diesem Fall der unbekannte Lösegeld-Empfänger.

Viele Widersprüche in den Aussagen

Beschuldigt wurde der 42-Jährige durch zwei der drei bereits verurteilten Diebe. Als Zeugen sagten sie aus, dass der Angeklagte sie beauftragt habe, dass Kreuz im Oktober 2013 aus der Nikomedes-Kirche im münsterländischen Steinfurt-Borghorst zu stehlen. Allerdings widersprachen sich beide anscheinend in Details, so dass die Verteidigung ihre Glaubwürdigkeit infrage stellen konnte. Sie hätten gelogen, um selbst früher aus der Haft entlassen zu werden.

Ganz anders dagegen klingt die Version des Angeklagten. Er verwies von Prozessbeginn an darauf, erst durch einen an der Tat beteiligten Neffen vom Diebstahl des Stiftskreuzes erfahren zu haben. Alle Kenntnisse hätten "auf Hörensagen" beruht. In Bremen habe es zudem viele gegeben, die darüber Bescheid wussten. Keinesfalls sei er der Auftraggeber. Vielmehr habe er den Ankauf des Diebesguts für 150.000 Euro vermittelt und selbst dazu rund ein Drittel der Summe beigetragen -  Geld, das er eigentlich für einen Hauskauf habe verwenden wollen.

Wo sind die 100.000 Euro?

Zwischen diesen Extremen Recht zu sprechen, ist nun Sache des Gerichts. Es war dem Angeklagten schon im Februar erheblich entgegengekommen, als es ihn aus der Untersuchungshaft entließ. Auch hatte die Kammer in einem Gespräch dem Angeklagten und der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass eine unbeschädigte und unentgeltliche Rückführung sich bei der Verurteilung auf das Strafmaß auswirken würde. Nun sind dennoch zumindest 100.000 Euro geflossen.

Der Empfänger ist wohl nur dem Angeklagten und dessen Verteidiger bekannt, der ihm das Geld in einem Nebenraum seiner Anwaltskanzlei in Bremen überreicht hat.

Die Verantwortlichen im Bistum Münster halten sich raus aus dem Prozess. Für sie ist einzig und allein die Rückgabe des Borghorster Stiftskreuzes wichtig. Es war am 17. Februar unbeschädigt von einem glücklichen Bischof Felix Genn wieder der Öffentlichkeit präsentiert worden. Von den durch die Versicherung gezahlten und vom Anwalt des Bistums nach Bremen gebrachten 100.000 Euro habe die Kirche keine Kenntnis gehabt, erklärte die Diözese. Die von ihr ausgelobten 50.000 Euro Belohnung sind laut Angaben auch nie gezahlt worden. Bleibt von der Kirche nur zu prüfen, wie das wertvolle Stiftskreuz in Zukunft besser geschützt sowie ob und wann es wieder in Borghorst gezeigt werden kann.

Von Johannes Schönwälder (KNA)

Linktipp: Das große Abräumen

In England deckten Diebe unlängst ganze Kirchendächer ab, um das erbeutete Blei zu verkaufen. In Deutschland ist die Lage laut Experten weniger dramatisch, aber "ärgerlich": Die Behörden verzeichnen jährlich mehr als 2.000 Kircheneinbrüche. (Artikel vom 26. Januar 2016.)