Nach langem Hin und Her steht Großprojekt vor Inbetriebnahme

"Unsere Moschee für Kölle"

Veröffentlicht am 15.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Islam

Köln ‐ Die Kölner Zentralmoschee soll ein "Wahrzeichen für Religionsfreiheit" werden. Jetzt steht das Projekt wohl vor der Fertigstellung - mit jahrelanger Verzögerung.

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Es ist eine Kaskade in Weiß und Gold, die den Betrachter bestürmt. Der Blick wandert die Wände hinauf, wo 1.800 Stuckplatten geometrische Muster bilden. In der gläsernen Kuppel setzt ein gewaltiger Kronleuchter arabische Kalligrafien in Szene. Sie verweisen auf Allah, auf Propheten und Kalifen. An der Frontseite des Raumes rahmen Predigt- und Lehrkanzel die Gebetsnische ein: Im Kuppelsaal der Kölner Zentralmoschee ist alles bereit für die ersten muslimischen Beter. Damit wäre das religiöse Großprojekt praktisch in Betrieb - mit jahrelanger Verspätung, aber pünktlich zum Fastenmonat Ramadan.

Seit rund 20 Jahren träumen die Mitglieder des türkischen Moscheeverbands Ditib an dessen Bundessitz in Köln von einem angemessenen Ort der religiösen, kulturellen und sozialen Begegnung. Nach einem Architektenwettbewerb war 2009 Baubeginn im bunten Stadtteil Ehrenfeld; von Anfang an waren die Erwartungen an eine der größten muslimischen Gebetshäuser in Deutschland hoch. Ursprünglich sollte das von den renommierten Architekten Gottfried und Paul Böhm entworfene kühne Ensemble im Sommer 2012 öffnen. Die Fertigstellung des Gemeindezentrums mit Seminar- und Büroräumen, Einkaufspassage und Tiefgarage verzögerte sich jedoch unter anderem wegen juristischer Querelen um Baumängel. Die gerichtliche Auseinandersetzung dauert an, nach einer Mediation fungiert Paul Böhm inzwischen als Berater der Bauherren. Kurz vor der Eröffnung des 30-Millionen-Projekts sind laut Ditib etwa zwei Drittel der Kosten durch Spenden gedeckt. Öffentliche Zuschüsse gebe es nicht.

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Der muslimische Dachverband Ditib steht unter Druck. Ihm wird eine problematische Nähe zum türkischen Staat nachgesagt. Nun plant die Organisation eine geistige Wende.

"Ein Gesamtkunstwerk" nennt Projektleiter Selim Mercan das Bauvorhaben, das er seit 2014 betreut. Das Herzstück der Anlage bildet der 36 Meter hohe Kuppelsaal mit seinen geschwungenen Betonschalen und Glasfassaden. Die beiden Minarette bringen es auf 55 Meter - etwa ein Drittel des 157 Meter hohen Doms, in Köln nach wie vor das Maß aller Dinge. Es gehe um eine Verbindung traditionell orientalischer Elemente mit einem modernen Islam, wie er ins weltoffene Köln passt, erläutert Mercan und weist auf Deckenmedaillons mit ziselierten arabischen Inschriften aus Blattgold: Sie sind unter anderen Abraham, Mose, Noah und Jesus gewidmet - Persönlichkeiten, die für Christen wie auch für Juden und Muslime bedeutend sind. "Das ist ein sehr schönes Zeichen", findet der Bauingenieur.

Offen und transparent

Das muslimische Gemeindezentrum mit seinen großzügigen Freitreppen sei bewusst offen und transparent gestaltet; schließlich solle es ein "Ort des gesellschaftlichen Zusammenwachsens und des interkulturellen und interreligiösen Dialogs für Angehörige aller Glaubensrichtungen" sein. "Unsere Moschee für Kölle" warb schon vor zehn Jahren eine Imagekampagne um ein religionsübergreifendes Wir-Gefühl in der Domstadt.

Dieses Ziel unterstützt auch Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Kölner Katholikenausschusses und Mitglied des Moscheebeirats. "Es gibt für die rund 120.000 Muslime in Köln 70 Moscheen, die meisten in Hinterhöfen. Das ist kein Zustand." Um dies zu ändern, sei der knapp 40-köpfige Beirat aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen 2007 gegründet worden. Bei der Grundsteinlegung im November 2009 sprach der damalige Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Bardakoglu, von einem "Wahrzeichen für Religionsfreiheit". Es sei "das Verdienst Deutschlands", dass Köln eine solche Moschee erhalte. "Die ganze Welt sollte sich ein Beispiel nehmen an dieser Einstellung der Deutschen zur Religionsfreiheit", so der islamische Theologe.

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TOM - der "Tag der Offenen Moschee" - wird in Deutschland bereits seit 20 Jahren begangen. Die Resonanz ist da - doch das Misstrauen gegen Moscheebauten ebenfalls.

Heute lädt die Ditib zu Führungen über das fast fertige Gelände ein. Am Freitagsgebet könne ohnehin jeder teilnehmen, heißt es. Das findet bis zur Vollendung des Kuppelsaals in einem Raum im Untergeschoss statt, der dann für Jugend- und Sportangebote dienen soll. Im großen Gebetssaal, in dem etwa 1.200 Menschen Platz finden, gibt es eigene Galerien für die rund zehn Prozent Frauen der Gemeinde.

"Islamisch. Sinnvoll. Handeln"

Die Freifläche vor dem Kuppelsaal wird durch einen Brunnen in Form einer gläsernen Röhre mit der Passage im Untergeschoss verbunden. Von den etwa 20 Ladenlokalen sind laut den Hausherren rund 60 Prozent vermietet. Moderne LED-Lampen, Glas, Stahl, Holz und Marmor prägen das Bild. Das Angebot an Speisen soll "halal" sein, also den Vorschriften des Islam entsprechen. Auch die KT Bank, eine Tochter der kuwaitisch-türkischen Kuveyt Türk Bank, wirbt in ihrer Niederlassung in der Passage mit dem Slogan "Islamisch. Sinnvoll. Handeln".

Den großen Konferenzsaal für 750 Besucher konnten die Kölner schon 2016 kennenlernen: Da fand dort eine Aufführung des städtischen Kulturfestivals "Acht Brücken" statt. Zur offiziellen Eröffnung soll es dann - zu gegebener Zeit - viel Prominenz und Programm geben. Projektleiter Mercan freut sich schon darauf, mit seiner Familie ins Gemeindezentrum zu kommen. "Hier gibt es ja viele Möglichkeiten - vom Beten über Einkaufen bis zum Restaurantbesuch", sagt der 40-Jährige. "Wir sind alle sehr stolz. Das Ergebnis spricht für sich."

Von Sabine Kleyboldt (KNA)

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Der Anblick einer Moschee habe für die meisten Menschen hierzulande nichts Exotisches mehr, meint Justitia et Pax-Mitglied Heiner Bielefeldt. Dennoch gebe es Reibungspunkte zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Vor der Bundestagswahl spricht er deshalb über Islamfeindlichkeit.