Essener Generalvikar Pfeffer über Vorbild Dietrich Bonhoeffer

Generalvikar Pfeffer: Kirche überlebt nur ökumenisch

Veröffentlicht am 19.05.2017 um 12:35 Uhr – Lesedauer: 
Bistum Essen

Essen ‐ "Christsein ist keine einfache Angelegenheit", heißt das neue Buch von Klaus Pfeffer, dem Generalvikar des Bistums Essen. Der, um den es im Buch geht, bezeugte das sogar mit seinem Leben.

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Vor 500 Jahren war die Kirche am Essener Markt noch katholisch. Doch Martin Luther und die Reformation machten sie zum evangelischen Gotteshaus. Nun stellte hier der Generalvikar des katholischen Ruhrbistums sein neues Buch vor. Kein Irrtum, sondern "ein schönes ökumenisches Zeichen", so Klaus Pfeffer. Denn er schrieb über sein Vorbild, den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906-1945).

Erfolglose Warnungen

Als junger Student habe er die Theologie "als etwas sehr Trockenes erlebt", so der 53-jährige Pfeffer. Dann entdeckte er den ökumenisch orientierten Protestanten, der ihn seitdem nie wieder losgelassen habe. Bonhoeffer habe versucht, sein Christsein in das eigene Leben zu übersetzen. Dazu zählte, dass er früh das Gedankengut der Nationalsozialisten als nicht mit dem Glauben vereinbar erkannte. Doch blieben seine Warnungen erfolglos.

Bild: ©Nicole Cronauge/Bistum Essen

Monsignore Klaus Pfeffer ist Generalvikar des Bistums Essen.

Bonhoeffer schloss sich der "Bekennenden Kirche" an und wurde für seinen Widerstand am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg (Oberpfalz) hingerichtet.

Angesichts erstarkender populistischer Kräfte in der Gesellschaft sollte man aus dem Vorbild Bonhoeffers lernen, mahnt Pfeffer. Gerade heute sei es wichtig, dass sich Christen deutlich zu Wort meldeten.

Besonders berührt zeigt sich der katholische Geistliche von Bonhoeffers sehr persönlichen Briefen aus dem KZ und seinen theologischen Schriften. Seine visionäre Skizze zum Kirchenbild der Zukunft, die er noch kurz vor seiner Ermordung entwarf, könnte für die Gegenwart formuliert sein, urteilt der ausgebildete Journalist Pfeffer. "Wir stellen uns im Ruhrbistum die Frage: Wie geht's weiter angesichts der rasanten Entwicklungen, denen wir uns zu stellen haben", so der seit 2012 amtierende Verwaltungschef des Bistums. "Da gibt es von Bonhoeffer so viele Impulse, die auch in meine Arbeit einfließen."

So sollte die Kirche heute versuchen, offen, anziehend und keinesfalls elitär zu sein, unterstreicht Pfeffer. Und das, so ist er gemeinsam mit Bonhoeffer überzeugt, geht letztlich nur, wenn Protestanten und Katholiken an einem Strang ziehen. "Die Kirche der Zukunft wird eine ökumenische sein", erklärt der aus dem Sauerland stammende Priester. Das werde nicht "morgen oder übermorgen", aber doch für eine der nächsten Generationen der Fall sein. Ansonsten sehe er wenig Überlebenschancen für das Christentum in dieser Gesellschaft, befindet der Autor.

Bereits vor einigen Jahren hat Pfeffer ein ähnliches ökumenisches Zukunftsbild entwickelt und dafür gerade aus eher konservativen Kreisen Kritik einstecken müssen. Andererseits hätten viele die Anregungen als konstruktiv aufgenommen. "Das ist für mich Ermutigung, hier weiter zu machen."

Die kirchlich Verantwortlichen sollten mehr an diejenigen denken, die zwar nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst kommen, aber doch ein Interesse oder Bedürfnis an Kirche und Glaube hätten. "Kirche kann nur Kirche sein, wenn sie für andere da ist", zitiert er Bonhoeffer. Doch stießen etwa Menschen, die wegen einer Taufe oder Hochzeit anfragten, "schnell an bürokratische Hürden, wenn sie nicht zum Kernpublikum der Gemeinden gehören", kritisiert Pfeffer. "Dabei sollten wir umgekehrt sagen, super, dass die kommen!"

Linktipp: Ökumene: Was verbindet? Was trennt?

Ein Haus mit vielen Wohnungen: So lässt sich - vereinfacht - die Ökumene beschreiben. Das Haus, das viele Kirchen und Gemeinschaften beherbergt, umspannt die ganze Welt. Die Familien in diesem Gebäude sind Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Kopten, Altkatholiken, Anglikaner und Freikirchler.

So lade das Ruhrbistum im Rahmen seines Zukunftsbildprojektes Familien mit Neugeborenen ganz unbürokratisch zu einer Segensfeier am Beginn des Lebens ein. "Das ist ein Riesenerfolg!", freut sich der Generalvikar. An den ersten vier Orten habe es "rappelvolle Kirchen, Begeisterung" gegeben. Umgekehrt sollen Menschen, die aus der Kirche austreten wollen, nach Gründen oder Verbesserungsvorschlägen gefragt werden. "Ich habe manchmal die Befürchtung, dass wir in unserer Kirche Angst haben vor den Antworten, die wir dann zu hören bekommen", meint der Geistliche. Doch wolle er dafür sorgen, dass diese Antworten gehört und Konsequenzen gezogen werden.

Kein Jammern, kein Wehklagen

Schon in den 1930er Jahren habe Bonhoeffer den Wandel weg vom volkskirchlichen Christentum kommen sehen, aber zugleich Anregungen zum Umgang damit geliefert, so Klaus Pfeffer. Jammern und Wehklagen hätten nicht dazu gehört.

Von Sabine Kleyboldt (KNA)

Linktipp: Der evangelische Heilige

Evangelische Christen kennen im Grunde keine Heiligenverehrung. Dennoch nennt der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bischof Wolfgang Huber, Dietrich Bonhoeffer einen "evangelischen Heiligen". Der Theologe und NS-Widerstandskämpfer, wird weit über die evangelische Kirche hinaus als Vorbild verehrt – vor allem wegen seines im Glauben begründeten politischen Engagements gegen die NS-Rassenideologie.