Papst Franziskus berät über Krise in Venezuela
Vielleicht ist die Verschwiegenheit nur ein Signal, wie ernst der Vatikan die Lage nimmt: Am Donnerstag erschien die Spitze der katholischen Kirche Venezuelas bei Papst Franziskus, um ihm die Lage in ihrem Land darzulegen. Die Audienz, so betonte der Vatikan, kam auf Bitten der Bischöfe zustande. Nach dem Treffen schloss Vatikansprecher Greg Burke eine Stellungnahme aus.
Seit April gehen in Venezuela fast täglich Menschen auf die Straße, um gegen die Regierung von Nicolas Maduro zu protestieren. Sie fordern Neuwahlen und einen Rücktritt des Präsidenten. Die Gewalt nimmt zu. Erst am Mittwoch kam ein 17-jähriger Demonstrant in Caracas ums Leben. Nach Angaben von Menschenrechtlern starben bislang 70 Menschen durch Sicherheitskräfte oder "Colectivos", staatliche Schlägertrupps.
Mittlerweile ist auch die Handlungsfähigkeit der Opposition eingeschränkt, seit im Januar ein vom Vatikan vermittelter Dialog mit der Führung scheiterte. Umso größere Hoffnung ruht auf der Kirche. Doch aus Sicht von Kardinal Baltazar Porras Cardozo, Erzbischof von Merida und ehemaliger Vorsitzender der venezolanischen Bischöfe, fehlt der Regierung schlicht "jeder Wille für eine Einigung"
Die Forderung der Bischöfe ist klar: "Die Regierung muss auf ihren Willen verzichten, ein totalitäres, kommunistisches, materialistisches und militaristisches Regime in Venezuela einzuführen", sagte Kardinal Jorge Urosa Savino Radio Vatikan (Mittwoch). "Es ist ein System, das in niemandes Interesse ist, vor allem nicht im Interesse der Armen."
Wie man Bewegung die verfahrene Lage bringen könnte, skizzierte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin Anfang Dezember in einem Brief an die politischen Exponenten des Landes mit vier Punkten: Öffnung humanitärer Korridore für dringend benötigte Lebensmittel und Medikamente, vorgezogen Wahlen, Respektierung des Parlaments und Freilassung politischer Gefangener.
Die einflussreichsten Bischöfe reisten nach Rom
Soweit ist man sich einig. Doch warf Kardinal Urosa Präsident Maduro vor, er wolle "den Papst als Freund der Regierung präsentieren" und einen Gegensatz zur Ortskirche herstellen. So hat der Besuch bei Franziskus offenbar auch den Zweck, die Reihen eng zu schließen.
Nicht umsonst schickten die venezolanischen Bischöfe ihre Schwergewichte nach Rom: neben dem Vorsitzenden Erzbischof Diego Padron, dessen beiden Stellvertretern und dem Generalsekretär auch die beiden Kardinäle. Urosa gilt als moralische Autorität im Land. Porras, als Kritiker von Maduro wie von dessen Vorgänger Hugo Chavez bekannt, wurde erst im November von Franziskus zum Kardinal ernannt.
Ihr Aufenthalt in Rom blieb diskret. Erst Stunden nach den Unterredungen mit Franziskus und Parolin gaben sie per Twitter bekannt, sie hätten dem Papst eine Dokumentation zu den Todesopfern der Proteste übergeben. Weiter legten sie ihm nach eigenen Angaben detaillierte Daten zu der humanitären Krise vor.
Menschenrechtler aus Venezuela erwarten sich eigentlich eine Antwort, warum sich der Vatikan nicht deutlicher zu Wort meldet. Franziskus, selbst Lateinamerikaner, hat persönliche Erfahrung mit autoritären Regimen. Und Parolin war vor seinem Wechsel ins Staatssekretariat vier Jahre Papstbotschafter in Caracas; er erlebte noch die ersten Amtsmonate Maduros mit. Der Papst und sein Chefdiplomat kennen die Verhältnisse.
Will der Vatikan die Kuba-Beziehungen nicht riskieren?
Inzwischen wird gemutmaßt, der Vatikan wolle vielleicht seine Beziehungen zu Kuba nicht aufs Spiel setzen. Kuba bezieht Erdöl von Venezuela und hat kein Interesse an einem Regierungswechsel. Zugleich war Kuba am Friedensschluss in Kolumbien beteiligt und beendete erst unlängst die Eiszeit mit den USA - beides wichtige Baustellen der päpstlichen Diplomatie.
Padron, der Vorsitzende der Bischöfe, sieht unterdessen die Kirche Venezuelas selbst im Visier. Angriffe auf religiöse Einrichtungen schienen "keine Einzelfälle", sagte er Ende April in einem Interview. Er vermutete "gezielte Aktionen, um die Kirche einzuschüchtern". Papst Franziskus appellierte zuletzt im Mai an die Bischöfe, Brücken zu bauen. Für Padron hingegen gibt es "ohne Widerstand keine Hoffnung".