Werkstatt sorgt für den Erhalt historischer Handwerkstechniken

Das Schmiedefeuer in der Kölner Innenstadt

Veröffentlicht am 16.07.2017 um 13:00 Uhr – Lesedauer: 
Erzbistum Köln

Köln ‐ Der Kölner Dom gehört zum Weltkulturerbe. Schützenswert findet Dombaumeister Peter Füssenich aber auch die alten Handwerkstechniken zum Erhalt der Kathedrale.

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Eigentlich dauert es noch ein paar Wochen, bis der neue Auszubildende seine Stelle anfangen soll. Aber sein erstes Stück Arbeit wartet schon auf ihn in der Werkstatt - so groß wie zwei Bierkästen und mit Moos und Flechten behaftet. Aus dem Rohblock aus Kalkstein soll der neue Lehrling einen Quader hauen - schön nach alter Handwerksart mit Klöpfel und Spitzeisen.

Besonderes Einstiegsritual

Mit der gleichen Aufgabe haben auch die beiden anderen Steinmetz-Azubis Julian Feldmann und Elias Bergk mal angefangen. Sozusagen als Einstiegsritual in einen ganz besonderen Handwerksbetrieb - die Kölner Dombauhütte. Beide sind schon im ersten und zweiten Lehrjahr und daher längst mit komplizierteren Werkstücken befasst. Aber auch sie sind noch Neulinge in einem Metier mit einem speziellen Auftrag: die aus dem Mittelalter gewachsene und über Jahrhunderte weitergegebene Handwerkstradition zu lernen und in die nächste Generation zu tragen.

Dombaumeister Peter Füssenich im Porträt
Bild: ©katholisch.de

Peter Füssenich ist Kölner Dombaumeister.

Die Kölner Dombauhütte bietet derzeit fünf jungen Menschen einen Einstieg ins Berufsleben: Neben Julian und Elias machen im Schatten des Doms zwei weitere Azubis ihre ersten Erfahrungen als Schlosser und Schmied. Und auch die Schreinerei beschäftigt einen weiblichen Lehrling.

Dombaumeister Peter Füssenich ist stolz auf das "einzige noch brennende Schmiedefeuer in der Kölner Innenstadt". Die Dombauhütte als Ausbildungsbetrieb hat für ihn nichts mit Nostalgie zu tun. Der gelernte Architekt und Denkmalexperte weist darauf hin, dass der Kölner Dom zurecht Weltkulturerbe ist. Immer wichtiger werde aber auch das "immaterielle Kulturerbe", das sich mit dem im Jahr 1248 begonnenen Bau verbinde: eben der Erhalt der historischen Handwerkstechniken.

Echtes "Hand-werk"

"Hand-werk" versteht der Dombaumeister ganz wörtlich. "Die Oberfläche eines Steins mit Muskelkraft zu bearbeiten - eine solche Aufgabe gibt es nur selten in normalen Steinmetzbetrieben", so Füssenich. "Wir versuchen zu vermitteln, wie Menschen früher die Arbeit gemacht haben" - zumal gerade das Mittelalter so wenig Schriftliches über sein Know-how hinterlassen habe und das meiste Wissen aus den Gebäuden abgelesen werden muss.

Julian weiß konkret, was das bedeutet. "Das Urtypische am Handwerk kriegen wir beigebracht", betont er und zeigt auf die Aufgabe, die ihm sein Meister zugewiesen hat. Er soll einem eckigen Basaltstein ein rundliches Profil verpassen. Ein Geduldsspiel. Zunächst wandert der Meißel Millimeter für Millimeter zwei eingezeichnete Linien entlang, wo sich allmählich Hohlkehlen zeigen. Das überstehende Gestein dazwischen wird sodann Stück für Stück mit einem Spitzeisen abgetragen. Immerhin ist Basalt ein "dankbarer Stein", findet Julian. Ganz anders erlebt er den Sandstein. "Bei dem bricht sofort eine Ecke weg, wenn du zu hart draufhaust."

Bild: ©picture alliance/dpa

Eine Restauratorin reinigt Figuren am Michaelportal des Kölner Doms mit einem Laser.

Ein Gefühl für den Werkstoff zu bekommen, darum geht es auch in der Schmiede, wo Felix (20) und Marc (21) arbeiten. Wenn sie Meißel für die Steinmetze, Gitter für einen Altar oder einen Handlauf schmieden, dann müssen auch sie darauf aufpassen, dass ihnen das Metall nicht zu heiß wird und der Kohlenstoff nicht verbrennt. "Das sieht dann verhunzt aus und hat keine Haltbarkeit", berichtet Marc von seinen Anfänger-Erfahrungen. Wie die Steine verlangt auch Metall den richtigen Kraftaufwand, wenn es in Form geschlagen wird und nicht plötzlich doppelt so breit ausfallen soll als gewünscht.

Fingerspitzengefühl braucht auch Anna Meier in der Schreinerei. Sie und die anderen drei Mitarbeiter kümmern sich um die kleinen grauen Türen in den Obergängen und im Dachbereich des Doms, der nach jahrhundertelangem Baustopp vor 175 Jahren bis zur Vollendung weitergebaut wurde. 300 solcher Massivholztüren verteilen sich auf die Kathedrale und halten Durchzug und Tauben ab. Regenwasser setzt immer wieder dem Material zu und erfordert Reparaturen oder gar Neuanfertigungen.

Originalsubstanz bewahren

Möglichst viel Originalsubstanz bewahren und nur das Marode ersetzen - diese Maxime gilt in der Dombauhütte. Und natürlich wird dazu bei aller Traditionsverbundenheit auch neue Technik eingesetzt. So hat sich Steinmetz-Azubi Elias die Ohrenschützer aufgesetzt, um sich vor dem Lärm des Druckluft-Meißels zu schützen, mit dem er die Fläche eines Sandsteins bearbeitet. Dieser soll einmal als unterstes Element eines Türmchenaufbaus dienen.

Tanja Pinkale weiß, wie mit dem modernen Laser altes Gestein gereinigt werden kann. Der Strahl verdampft den schwarzen Schmutz bis auf die unterste Patinaschicht und bewahrt so die originale Oberfläche des Steins. Auch die 27-Jährige hat in der Kölner Hütte als Steinmetzin gelernt und erreichte vor fünf Jahren mit ihrem Abschluss den ersten Platz bei der örtlichen Handwerkskammer und den zweiten Platz auf Landesebene. Seitdem arbeitet sie an ein und derselben Baustelle am Dom: dem Michaelportal. Es liegt an der Seite zum Bahnhof hin und versteckt sich derzeit. Ein mit einer Plane eingepacktes rund 18 Meter hohes Gerüst verdeckt den Blick auf ein Handwerker-Treiben, das typisch für die Kathedrale ist.

„Wir versuchen zu vermitteln, wie Menschen früher die Arbeit gemacht haben.“

—  Zitat: Dombaumeister Peter Füssenich

Neben Witterungsschäden sind hier noch alte Kriegstreffer zu beseitigen. 215 Figuren zählt das Portal. Wie ein Zahnarzt Karies entfernt, so tragen Pinkale und ihre Kollegen brüchiges Gestein ab. Kleine Fehlstellen schließen sie mit Steinergänzungsmasse und große Löcher mit eigens angefertigten Ersatzsteinen. Immer wieder sind für den Patienten neue Puzzlestücke anzufertigen - und zwar nach den ursprünglichen Vorgaben und mit den originalen gotischen Zierelementen. Dübelanker setzen und mit Harz verkleben oder Fugen mit Mörtel ausfüllen - die Renovierung des Portals ist ein Riesenaufwand, der viel Zeit erfordert.

Detailverliebtheit der Gotik

Aber Tanja Pinkale mag es, diese Detailverliebtheit der Gotik zu erhalten. Wann das Portal mal fertig sein wird? Sie wagt keine Prognose. Ganz sicher aber wird die Baustelle ihre nächsten Jahre begleiten. Sie will ein Studium zur Restauratorin absolvieren - und nebenher noch ganz praktisch mit dem überlieferten Handwerk ihren Lebensunterhalt verdienen.

Von Andreas Otto (KNA)