Berliner Pfarrer Karcz zu christlichen Flüchtlingen aus dem Irak

"Flüchtlinge nach Religionen trennen"

Veröffentlicht am 14.08.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Berlin ‐ Im Erzbistum Berlin ist Pfarrer Harry Karcz für die Seelsorge der christlichen Flüchtlinge aus dem Irak zuständig. Angesichts des Vormarsches der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) sind sie in großer Sorge um ihre Angehörigen in der alten Heimat, wie Karcz am Donnerstag in einem Interview berichtete. Die in der Regel gut integrierten Flüchtlinge drängen darauf, dass sie Verwandte schnell nach Deutschland holen können, was bislang kaum möglich ist, so Karcz.

  • Teilen:

Frage: Herr Pfarrer Karcz, wie geht es den in Berlin lebenden christlichen Irakern angesichts der dramatischen Entwicklungen in ihrem Heimatland?

Karcz: Die Stimmung ist gespalten. Einerseits sind sie sehr betroffen, weil sie alle in Orten, die jetzt vom Vormarsch der Terrorgruppe "Islamischer Staat" erfasst werden, Verwandte haben. Zugleich sind sie schockiert, dass die Regierung in Bagdad mit Machtkämpfen beschäftigt ist, statt sich um das Land zu kümmern.

Frage: Wie viele irakische Christen leben in Berlin?

Karcz: An die 300 sind katholische Chaldäer und haben sich beim Erzbistum Berlin gemeldet, zudem gibt es mindestens noch einmal so viele Iraker anderer christlicher Konfessionen. Einmal im Monat feiern die katholischen Iraker einen Gottesdienst in der Canisiuskirche in Charlottenburg, wo viele von ihnen wohnen.

Bild: ©KNA

Der Priester Harry Karcz (rechts), Seelsorger des Erzbistums Berlin für christliche Flüchtlinge aus dem Irak, bei einer Veranstaltung vor dem Übergangsheim in Berlin-Marienfelde.

Frage: Wie gut sind sie integriert?

Karcz: Die christlichen Iraker gehören zu den integrationsfähigsten Gruppen unter den Orientalen. Sie leben zumeist nur kurz in den Flüchtlingsheimen, weil sie mit Hilfe ihrer Großfamilien relativ schnell außerhalb eine Wohnung finden und sich gut in die deutsche Gesellschaft eingliedern. Das kann ich bei Hochzeiten und Taufen immer wieder feststellen. Viele dieser Iraker haben Arbeit und sprechen inzwischen sehr gut Deutsch. Allerdings sind sie zumeist nicht in ihren erlernten, teilweise hochqualifizierten Berufen tätig, sondern in der Gastronomie oder ähnlichen Jobs, in die man schnell einsteigen kann.

Frage: Im Flüchtlingsheim von Berlin-Marienfelde gab es zwischen christlichen Syrern und muslimischen Tschetschenen kürzlich offenbar einen auch religiös motivierten Streit bis zur Schlägerei. Welche Rolle spielen solche Konflikte?

Karcz: Sie kommen seit Jahren immer wieder vor, dringen jedoch kaum an die Öffentlichkeit. Es ist ein großes Problem, dass staatliche Stellen und Heimbetreuer dieses Konfliktpotenzial unterschätzen mit der Begründung, die Flüchtlinge müssten sich an den Umgang mit Religion in Europa anpassen. Für die Flüchtlinge ist ihre Religion jedoch oft von großer Bedeutung und der Grund ihrer Flucht. Deshalb bin ich dafür, Flüchtlinge soweit möglich nach Religionen getrennt unterzubringen.

Frage: Wie bewerten die Iraker die deutsche Flüchtlingspolitik?

Karcz: Sie sind sehr unzufrieden und unglücklich darüber, dass Familienzusammenführung beinahe unmöglich ist. Fast alle haben noch Eltern, Kinder, Onkel oder Tanten in anderen Ländern außerhalb Europas, die sie etwa wegen fehlender Visa nicht zu sich holen können. Da muss die Politik tätig werden, es ist noch wichtiger, als nur allgemein eine Aufnahme weiterer Flüchtlinge zu beschließen.

Frage: Wie kann man irakischen Flüchtlingen am besten helfen?

Karcz: Hilfe leistet man am besten über die kirchlichen Werke wie die Caritas und andere anerkannte Hilfsorganisationen, die innerirakische Flüchtlinge im Kurdengebiet unterstützen. Das funktioniert auch gut, wie ich vor zwei Jahren bei einer Reise in die Region selbst feststellen konnte.

Von Gregor Krumpholz (KNA)