Der besondere Schutz der Beichte
Soll in Fällen von sexuellem Missbrauch das Beichtgeheimnis aufgehoben werden? Diesen Vorschlag machte zu Beginn dieser Woche die australische Kommission zur Aufklärung von Kindesmissbrauch. Die Antwort der australischen Bischöfe ließ nicht lange auf sich warten: Priester dürften nicht gesetzlich dazu verpflichtet werden, Missbrauchsfälle anzuzeigen, von denen sie in der Beichte erfahren haben. Denn "die Beichte ist in der katholischen Kirche die spirituelle Begegnung mit Gott durch den Priester", sagte der Erzbischof von Melbourne, Denis Hart, am Montag. "Das ist ein fundamentaler Bestandteil der Religionsfreiheit, der in Australien und vielen anderen Ländern gesetzlich abgesichert ist." Eine solche gesetzliche Absicherung existiert auch in Deutschland. Der besondere Schutz der Beichte ist sowohl im Kirchen- als auch im deutschen Strafrecht definiert.
Exkommunikation als Tatstrafe
Das Kirchenrecht ist in Bezug auf das Beichtgeheimnis eindeutig: Es ist "unverletzlich; dem Beichtvater ist es daher streng verboten, den Pönitenten [den Beichtenden] durch Worte oder auf irgendeine andere Weise und aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten" (CIC, Can. 983 §1). Und weiter: "Ein Beichtvater, der das Beichtgeheimnis direkt verletzt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu" (Can. 1388 §1). Ob Mord, Missbrauch oder irgendeine andere schwere Straftat: Das Kirchenrecht verpflichtet den Beichtvater in jedem Fall zu absoluter Verschwiegenheit. Das Beichtgeheimnis zählt zu den ältesten Datenschutzvorschriften der Welt. Bereits seit dem Vierten Laterankonzil 1215 gilt es verbindlich für die gesamte katholische Kirche.
Eine Verankerung im Kirchenrecht ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Wie sieht es strafrechtlich aus? Paragraf 53 der deutschen Strafprozessordnung schützt einen Priester nach dem sogenannten Zeugnisverweigerungsrecht für Berufsgeheimnisträger. Demnach haben Geistliche in Bezug auf das ihnen in der Seelsorge Anvertraute das Recht, bei Ermittlungen die Aussage zu verweigern. Auch in der Zivilprozessordnung findet sich eine entsprechende Passage (§ 383 ZPO Abs. 1). Laut Paragraf 139 des Strafgesetzbuches besteht für einen Geistlichen zudem keine Anzeigepflicht für geplante Straftaten, von denen er in einem Beichtgespräch Kenntnis erhält.
Der staatliche Schutz des Beichtgeheimnisses ist im Reichskonkordat vertraglich festgelegt. Dieser am 20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossene Staatskirchenvertrag ist auch für die Bundesrepublik Deutschland gültig. Artikel 9 des Reichskonkordats sichert vonseiten des deutschen Staates zu, dass Gerichte und Behörden nicht auf Kenntnisse von Klerikern zugreifen dürfen, die unter die "Pflicht der seelsorgerlichen Verschwiegenheit" fallen.
Im Jahr 2008 gab es vonseiten des Bundesinnenministeriums das Vorhaben, den gesetzlich festgelegten Abhörschutz für Mitglieder des Klerus einzuschränken. So sollten Geistliche genauso wie Abgeordnete und Strafverteidiger vor Abhörmaßnahmen des Bundeskriminalamtes nicht mehr absolut geschützt sein, "wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist". Nach Protesten vonseiten der Kirche wurde das Reformvorhaben jedoch nicht in die Tat umgesetzt.
Andere Gesetzeslage in Frankreich
Die Gesetzeslage in anderen Ländern unterscheidet sich von der deutschen. In Frankreich etwa ist geregelt, dass Straftaten gegen Wehrlose und Personen unter 15 Jahren in jedem Fall zur Anzeige gebracht werden müssen. Von dieser Verpflichtung entbindet auch das Beichtgeheimnis nicht. Priester, die der Anzeigepflicht nicht nachkommen, können zu hohen Geldstrafen und einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verurteilt werden.