Ruhrbischof spricht über das Christsein von morgen

Overbeck: So sieht die Zukunft der Kirche aus

Veröffentlicht am 20.09.2017 um 12:43 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

München ‐ Die Zeiten der Volkskirche sind vorbei. Da ist sich Essens Bischof Franz-Josef Overbeck sicher. Doch sieht er im Wandel zu einer Minderheit nicht nur Nachteile, sondern auch Chancen.

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Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sieht Chancen in einer veränderten Rolle der Kirche. "Wir sind auf dem Weg zu einer Kirche im Volk", sagte er im Interview der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch). Er rechne damit, dass es künftig einen Kern religiöser Menschen geben werde. "Und wenn wir gut sind, werden wir darüber hinaus eine Kirche der Sympathisantinnen und Sympathisanten sein." Auch würden Menschen das kulturelle und soziale Angebot der Kirchen weiterhin schätzen. "Wir werden eine politische Dimension haben. Und wir werden eine lebendige Weltkirche sein."

Der Kirche werde damit verstärkt eine "exemplarische Funktion" zukommen, erklärte Overbeck: "Ich hoffe, dass wir so leben und reden werden, dass die Menschen aufmerken. Wir werden aber nicht mehr für eine Mehrheit moralisch oder gar rechtlich bindend sein können." Bei Fragen etwa nach Weiheämtern für Frauen oder der Gemeindeleitung durch Laien werde sich die Kirche "nicht mehr an den Gegebenheiten des 19. und 20. Jahrhunderts orientieren können". Auch das Verhältnis von Staat und Kirche werde sich künftig "jedenfalls ändern". Die Entwicklungen machten ihn nachdenklich, sagte der Bischof. "Religion wird die Angelegenheit einer kleinen Gruppe." Allerdings, so Overbeck weiter: "Vielen ist fremd geworden, was die Christen glauben, aber sie finden es gut, dass es Glaube und Kirche gibt."

Als Seelsorger Ängste ernstnehmen

Mit Blick auf die Flüchtlingsfrage forderte der Ruhrbischof, eine neue Form des Zusammenlebens zu erlernen, "die sich nicht nur national bestimmen kann". Dass derzeit ein "scheinbarer Mainstream mit den Worten Heimat, Identität und Abgrenzung" glaube, solche Wege gehen zu können, bereit ihm große Sorgen. Als Seelsorger müsse er die Ängste von Menschen ernstnehmen, fügte Overbeck hinzu. "Aber wir müssen auch sehr wach wahrnehmen, was Menschen aus Angst tun, um sich diese Verunsicherung vom Leib zu halten." Wer das Evangelium ernstnehme, dürfe "keine letzte Sicherheit auf der Erde" suchen. Zugleich seien die Kirchen historisch betrachtet zu Orten des Halts geworden. "Das ist ja auch wichtig. Man darf es nur nicht mit Abschottung verwechseln", mahnte der Bischof.

Im Wahlkampf sei die Stimme der Kirchen durchaus wahrgenommen worden, fügte Overbeck hinzu, etwa zu Sozialpolitik, Bildung und Inklusion, Migration und Flüchtlingen. "Ob von der Mehrheit, das weiß ich nicht. Wir sind eben nicht die Moralagentur für die gesamte Republik." Christen dürften Konflikten indes nicht aus dem Weg gehen: "Christen können nicht im Schlafwagen durch die Republik fahren und hoffen, dass Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung von alleine kommen." (bod/KNA)