Männer, Männer, Männer - und nur wenige Frauen
Die Wahl vom vergangenen Sonntag hat zu einem deutlichen Absinken des Frauenanteils im Bundestag geführt – von 36,5 auf 30,7 Prozent. So wenige Frauen saßen zuletzt vor zwei Jahrzehnten im Parlament. Maria Flachsbarth, CDU-Staatsministerin und Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB), beklagt diese Entwicklung. Im Interview mit katholisch.de erläutert sie, was sich jetzt ändern muss und wie sie wichtige frauenpolitische Themen in der neuen Legislaturperiode trotzdem durchsetzen möchte.
Frage: Frau Flachsbarth, der neue Bundestag ist so männlich wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Der Frauenanteil im Parlament ist durch die Wahl am Sonntag von 36,5 auf 30,7 Prozent gesunken. Wie sehr schmerzt Sie das?
Flachsbarth: Das ist natürlich keine schöne Entwicklung. Nach meiner Überzeugung sollten Frauen und Männer grundsätzlich so weit wie möglich entsprechend ihrem Zahlenverhältnis in der Bevölkerung in den Parlamenten vertreten seien. Und bei der Bundestagswahl hatten wir mehr wahlberechtigte Frauen als Männer. Von daher ist das Absinken des Frauenanteils im Bundestag nicht gut.
Frage: Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für diese Entwicklung?
Flachsbarth: Ich denke, es liegt vor allem an der Art und Weise, wie die Parteien ihre Kandidaten auswählen. Meist finden hierzu Urwahlen statt – das ist sicher ein urdemokratisches Verfahren. Allerdings muss ich auch in meinem niedersächsischen Landesverband feststellen, dass sich in diesen Urwahlen in der großen Mehrzahl Männer durchsetzen. Das liegt möglicherweise daran, dass Frauen manchmal etwas zurückhaltender sind, dass sie nicht so offensiv ihre eigenen Stärken präsentieren, die sie ja ohne Zweifel haben. Hinzu kommt häufig noch, dass Frauen aufgrund ihrer Biografie und ihrer familiären Situation nicht so viel Zeit darauf verwenden können, Netzwerke zu bilden.
Linktipp: Katholischer Deutscher Frauenbund
Seit 1903 sind die bundesweit rund 220.000 Mitglieder des KDFB politisch aktiv und engagieren sich als Teil der internationalen Frauenbewegung. Katholisch.de stellt den katholischen Verband vor.Frage: Die neue AfD-Fraktion im Bundestag ist mit Abstand die männlichste, aber auch Ihre eigene CDU/CSU-Fraktion hat nur verhältnismäßig wenige Frauen in den eigenen Reihen. Was kann die Union tun, um in der Zukunft mehr weibliche Abgeordnete in den Bundestag zu bringen?
Flachsbarth: Wenn es um die Zukunft geht, müssen wir jetzt anfangen, Frauen aller Altersklassen zu motivieren, sich für die politische Arbeit zur Verfügung zu stellen und sich mit ihrer Lebenserfahrung in die politische Diskussion einzubringen. Genauso wichtig ist aber die Frage, wie es in der neuen Legislaturperiode weitergeht. Am Dienstag gab es ein Treffen der weiblichen Unions-Abgeordneten im Bundestag. Dabei wurde die Forderung formuliert, dass wir als Frauen deutlich über die rund 20 Prozent hinaus, mit denen wir in der Fraktion vertreten sind, Führungspositionen besetzen wollen – sofern es ausreichend qualifizierte Bewerberinnen gibt.
Frage: Fürchten Sie, dass frauenpolitische Themen es angesichts des Geschlechterverhältnisses im Parlament in den kommenden vier Jahren schwerer haben werden?
Flachsbarth: Warten wir es ab. Ich bin auf jeden Fall davon überzeugt, dass es den Frauen, die in den Bundestag gewählt wurden, nicht an Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft fehlt. Selbstverständlich werden wir auch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen genau hinschauen, wie wir unsere Positionen als Frauen deutlich machen können. Darüber hinaus hat Angela Merkel im Wahlkampf mehrfach darauf hingewiesen, dass ihrem Kabinett – so sie denn wieder Bundeskanzlerin werden sollte, und danach sieht es im Moment ja sehr stark aus – künftig noch mehr Frauen angehören sollen. In der vergangenen Legislaturperiode betrug der Frauenanteil im Kabinett 43 Prozent, das war schon gar nicht so schlecht. Wenn sich dies nun positiv weiterentwickeln sollte, dann wäre das zumindest ein wichtiges Signal.
Frage: Welche wichtigen Themen in der Frauenpolitik sehen Sie in den kommenden vier Jahren? Und was davon ist Ihnen persönlich besonders wichtig?
Flachsbarth: Das ist ganz sicher die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir müssen es schaffen, dass Frauen, die ihre Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, dies mit ihrem Beruf besser vereinbaren können. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Frage, wie wir die Rückkehrmöglichkeiten von Teilzeit- auf Vollzeitstellen verbessern können. Des Weiteren wird auch die Frage der Kinderbetreuung in der neuen Legislaturperiode eine wichtige Rolle spielen, vor allem die Frage der Betreuung im Hortbereich. Und zuletzt: Wir müssen uns auch mit dem Thema Altersarmut beschäftigen. Wir müssen es schaffen, dass Frauen sich auch im Alter noch eine eigenständige und ausreichende Rentenversorgung aufbauen können.
Frage: Und welche Rolle spielt die Frage der gleichen Bezahlung von Frauen und Männern?
Flachsbarth: Das ist auf jeden Fall auch ein wichtiges Thema. Warum zum Beispiel werden diejenigen, die in der Pflegebranche beschäftigt sind – und das sind nun einmal weit überwiegend Frauen –, so viel schlechter bezahlt, als diejenigen, die Autos reparieren? In dieser Frage besteht ohne Zweifel ein Missverhältnis, und das müssen wir angehen.
Frage: Wie sehr kann es bei diesen Projekten helfen, dass neben Ihnen noch zehn weitere Mitglieder des Frauenbundes in den Bundestag gewählt wurden? Bietet sich dadurch die Chance für eine parteiübergreifende Frauen-Fraktion im Bundestag?
Flachsbarth: Der Frauenbund ist nach dieser Wahl leider nicht mehr so stark im Bundestag vertreten, wie noch in der vergangenen Legislaturperiode. Bislang waren 20 Mitglieder von uns als Abgeordnete im Bundestag, jetzt sind wir noch elf. Trotzdem: Wir sind weiter selbstbewusst, wir sind durchsetzungsstark und wir werden unsere frauenpolitischen Forderungen mit parteiübergreifenden Allianzen auch in den kommenden vier Jahren nach vorne bringen.