Vom Ordinariat ins Rathaus
Frage: Herr Gedemer, das ist ein ungewöhnlicher Werdegang: Vom Referenten des Erzbischofs zum Bürgermeister. Wie kam es dazu?
Thomas Gedemer: Ich war von jung auf politisch interessiert, bin in den katholischen Jugendverbänden großgeworden. Damals fand ich das Bürgermeisteramt schon interessant. Und dafür ist jetzt ein guter Zeitpunkt, mit Mitte 40 und nach 14 Jahren vielfältigen Erfahrungen in der Aufgabe als persönlicher Referent des Freiburger Erzbischofs – erst bei Dr. Robert Zollitsch, jetzt bei Stephan Burger.
Frage: Was hat Ihr aktueller Chef dazu gesagt, dass sein Referent jetzt plötzlich Bürgermeister werden will?
Gedemer: Ich habe ihn sehr früh in die Überlegung eingebunden, noch bevor ich die Entscheidung gefällt hatte. Drei Dinge hat er zu mir gesagt, die mich bis heute beeindrucken und sehr freuen. Das erste: Herr Gedemer, das kann ich mir sehr gut für Sie vorstellen. Das zweite: Ich habe keinen Bedarf an Änderungen in meinem Büro, sie dürfen auch gerne bleiben. Das dritte: Wenn Sie das wollen, dann werde ich Sie unterstützen, und wenn Sie nicht gewählt werden, machen wir weiter wie bisher.
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Frage: Jetzt machen Sie nicht weiter wie bisher. Haben Sie damit gerechnet, so deutlich gewählt zu werden?
Gedemer: Natürlich bin ich mit der Hoffnung angetreten, dass ich es auch werde. Sonst hätte ich gar nicht antreten müssen. Als allerdings bei Bewerbungsschluss klar war, dass es insgesamt sechs Bewerber gibt, stand für mich fest: Ich muss mich richtig ins Zeug legen und den Bürgerinnen und Bürger deutlich machen, was mich als Persönlichkeit auszeichnet, welche berufliche Erfahrungen, fachlichen Qualifikationen und sozialen Kompetenzen ich für das verantwortungsvolle Amt des Bürgermeisters mitbringe.
Frage: Die Mehrheit der Bürger konnten Sie offenbar überzeugen. Im ersten Wahlgang lagen Sie vorne, den zweiten Wahlgang haben Sie mit über 50 Prozent der Stimmen gewonnen. Wie ist Ihnen das gelungen?
Gedemer: Für mich war beim zweiten Wahlgang nicht zuerst die Prozentzahl entscheidend, die ist wegen der unterschiedlichen Wahlbeteiligung ohnehin nicht vergleichbar. Ich wollte die Stimmenanzahl noch steigern, noch mehr Leute als beim ersten Wahlgang davon überzeugen, dass ich der Richtige bin, dass ich authentisch bin, das heißt, dass die Menschen mich so , wie sie mich vor der Wahl erleben, auch nach der Wahl erleben werden – und das ist mir ja auch gelungen, das freut mich am meisten.
Frage: Sie sind ganz offen damit umgegangen, dass Sie Theologe sind und bei der Kirche arbeiten. Wie haben die Leute darauf reagiert?
Gedemer: Das war in den persönlichen Gesprächen gar kein so großes Thema. Was die Leute interessiert hat, war: Was macht eigentlich ein persönlicher Referent eines Erzbischofs? Viele denken, wenn sie auf dem Wahlzettel "Theologe" lesen, an einen Pfarrer. Aber bei meiner bisherigen Arbeit sitze mitten in einer großen kirchlichen Verwaltung, dort, wo viele thematische Fäden zusammenlaufen. Vereinzelt wurde ich aber auch auf meinen Glauben angesprochen. Ein Gespräch hatte ich zum Beispiel mit einem Atheisten, der wissen wollte, wie wir wohl miteinander auskommen werden. Er hat mir schließlich gesagt: "Ich bin sicher, wir kommen gut miteinander zurecht", und das war entscheidend, mir auch seine Stimme zu geben, wie er mir später dann sagte. Ein anderer sagte, dass er mich wählt, weil er darauf vertraut, dass ich die christlichen Werte auch als Bürgermeister leben werde. Hier gibt es auch stark evangelisch geprägte Dörfer. Da wurde ich am Anfang schon gefragt, was das für meinen Wahlkampf bedeutet. Und jetzt ist unter diesen Dörfern genau der Ort, an dem ich mit 67 Prozent die höchste Stimmenanzahl bekommen habe. Für mich weiß ich sehr genau, wie ich aus dem Glauben lebe, ich weiß es aber auch zu trennen als Bürgermeister: Ich werde auf alle gleich zugehen, egal ob sie Christen sind, einer anderen Religion angehören oder Atheisten.
Frage: Was macht es für Sie aus, als Christ in die Politik zu gehen?
Gedemer: Das prägt mein Handeln, mein Menschenbild und wie ich auf andere zugehe. Prinzipiell begegne ich den Menschen wertschätzend und in der Haltung, dass es dafür, wie sie leben und wie sie Entscheidungen treffen, gute Argumente gibt, und die versuche ich zu verstehen. Es macht sich an vielen Details fest, dass ich aus dem Glauben heraus lebe. Das bedeutet aber nicht, dass die Christen denken können, dass sie mir wichtiger sind als andere. Ich habe es auch von klein auf gelernt, mich für andere zu engagieren. Bürgermeister zu sein heißt Verantwortung zu übernehmen – auch für andere, für Bürgerinnen und Bürger, auch Schwächere im Blick zu behalten und nicht nur die, die am lautesten reden.
Frage: Der Erzbischof steht an der Spitze eines Bistums, Sie bald an der Spitze einer Stadt. Was nehmen Sie mit aus ihrer bisherigen Arbeit in die neue? Was ist anders?
Gedemer: Ich konnte zwei Erzbischöfe ganz nah erleben, wie sie Leitung wahrgenommen haben, und mir einiges abschauen, Vieles von ihnen lernen, das ist sehr hilfreich für mich und gibt mir Sicherheit. Ein Erzbischof ist heute aber vor allem für bestimmte Zielgruppen auf einer bestimmten Ebene Ansprechpartner. Ein Bürgermeister ist für alle Bürgerinnen und Bürger zuständig. Das ist etwas, was mich wirklich reizt an diesem Amt.