Die Stars der Kirche
Wie kann man heilig werden?
"Heilig werden" kann man strenggenommen gar nicht. Wenn der Papst jemanden heiligspricht, dann bestätigt er damit nur nachträglich und offiziell, dass eine bestimmte Person bereits zu Lebzeiten ein Heiliger gewesen ist. Deshalb ist die Dunkelziffer bei Heiligen besonders hoch: Tatsächlich gibt es vielmehr als jene 6.650 Heiligen und Seligen, die im jüngsten offiziellen Verzeichnis von 2004 aufgelistet sind – ein Seliger ist die Lokalausgabe eines Heiligen und darf nur regional verehrt werden. Benedikt XVI. und Franziskus sprachen seither rund 100 weitere Personen namentlich heilig, weitere rund 120 Selige kamen hinzu. Die meisten Heiligen wirken weitgehend unbemerkt im Alltag, ohne dass die Kirche sie als Heilige verehrt.
Warum braucht man ein Wunder?
Das Wunder bereitet heute vielen Katholiken Kopfzerbrechen. Häufig hört man den Einwand: Ist es denn nicht schon Wunder genug, dass Mutter Teresa sich so hingebungsvoll um Straßenkinder in Kalkutta gekümmert hat? Wozu braucht es da noch eine Durchbrechung der Naturgesetze? Die Antwort lautet vereinfacht gesagt so: Der Vatikan will keine gefühlten Heiligen, sondern größtmögliche Objektivität. Und ein Wunder gilt laut den Regeln für Heiligsprechungsverfahren, die im 18. Jahrhundert formuliert wurden, als besonders überzeugendes Zeichen dafür, dass sein Urheber ein Heiliger ist. Das Wunder muss allerdings nach dem Tod der Person passiert sein. In der Regel handelt es sich um medizinisch nicht erklärbare Heilungen, die der Anrufung des Kandidaten im Gebet zugeschrieben werden. Zumindest theoretisch könnte laut den Regeln aber auch die Fähigkeit, an zwei Orten gleichzeitig zu sein, als Wunder gelten. In der Praxis kommt dieser Fall jedoch nicht vor, wohl nicht zuletzt deshalb, weil eine solche Bilokation nur schwer zu beweisen wäre.
Welches Anforderungsprofil gilt für Heilige?
Ein Heiliger muss nicht perfekt und fehlerlos sein. Es gibt drei Wege zur Heiligsprechung. Erstens: Jemand ist ein Märtyrer und wurde aus "Hass gegen den Glauben" getötet. Zweitens: Jemand hat ein besonders tugendhaftes Leben geführt. Messlatte sind hierbei die Maßstäbe seiner Zeit. Und drittens: die "heroische Hingabe des Lebens". Diesen dritten Weg hatte Papst Franziskus im Juli dieses Jahres eingeführt. Er soll künftig für Grenzfälle angewandt werden, die nicht ohne weiteres in das herkömmliche Schema passten. Ein solcher Grenzfall war etwa Maximilian Kolbe. Der 1982 heiliggesprochene Ordensmann war 1941 in Auschwitz freiwillig anstelle eines Mitgefangenen in den Tod gegangen. Das allein erfüllt allerdings bei strenger Lesart weder die Anforderungen eines Martyriums noch eines tugendhaften Lebens.
Wozu sind Heilige gut?
Kein Katholik muss Heilige verehren. Die Kirche empfiehlt es jedoch als "gut und nutzbringend". Heilige sind die Stars der Kirche. Sie sollen Katholiken als Vorbild dienen und dazu anspornen, Gutes zu tun. Heilige sind aber auch Fürsprecher. Nach katholischer Überzeugung haben sie einen besonders guten Draht zu Gott. Heilige treten bei ihm für die Lebenden ein, "indem sie die Verdienste darbringen, die sie durch den einen Mittler zwischen Gott und dem Menschen, Jesus Christus, auf Erden erworben haben", heißt es im Katechismus. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), das der Katechismus an dieser Stelle zitiert, versteht hier unter Heiligen nicht nur die offiziell heiliggesprochenen Personen, sondern die Verstorbenen allgemein. Schließlich stärken Heilige laut Katechismus auch die Einheit der Kirche, die sich als Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen versteht.
Was haben Protestanten gegen Heilige?
Martin Luther zählte die Heiligenverehrung zu den "entchristlichten Missbräuchen". Sie widersprach aus seiner Sicht so ziemlich allem, was ihm heilig war: In der Bibel stand nichts davon, außer Christus durfte es für den Reformator keinen Fürsprecher bei Gott geben und Verehrung gebührte laut Luther Gott allein. Doch heißt das nicht, dass der heilige Franz von Assisi oder die selige Mutter Teresa Protestanten nichts bedeuten dürften. Auch nach evangelischem Verständnis gibt es Christen mit Vorbildcharakter; sie werden jedoch nur geehrt, nicht verehrt: Das heißt: Sie dürfen nicht um ihre Fürbitte bei Gott angerufen werden.
Wer hat die besten Chancen, Heiliger zu werden?
Schaut man sich die Heiligsprechungen der vergangenen Jahrzehnte an, dann fällt der Befund eindeutig aus: Weit mehr als die Hälfte der Heiligen sind Ordensleute. Das liegt nicht zuerst daran, dass Benediktiner, Franziskaner oder Jesuiten automatisch bessere Menschen wären. Der Grund ist profaner: Jeder Heilige braucht eine Lobby, die seine Heiligsprechung bei einem Bistum und beim Vatikan beantragt und sich dafür stark macht. Hier sind die Orden als straff organisierte geistliche Gemeinschaften mit langem Atem im Vorteil.