Caritas kritisiert Verdrängung von Obdachlosen
Die Caritas hat die Reaktion von Berliner Behörden auf eine wachsende Zahl obdachloser Menschen kritisiert. Laufende "Verdrängungsmaßnahmen" seien "naiver Aktionismus", sagte die Berliner Caritasdirektorin Ulrike Kostka am Mittwoch. Erforderlich sei eine berlinweite Strategie gegen Obdachlosigkeit unter Beteiligung der Wohlfahrtsverbände. So seien mehr ganzjährige Übernachtungsangebote mit Einzelfallberatung auch in den Sprachen der Obdachlosen aus anderen EU-Staaten notwendig, forderte Kostka. Gegen Aggressionen und Kriminalität einzelner Obdachloser müsse die Polizei vorgehen.
Nach ihren Angaben sind unter den schätzungsweise 40.000 Menschen ohne Wohnung in Berlin bis zu 6.000 Obdachlose, davon weit über die Hälfte aus östlichen EU-Staaten. Kostka bekräftigte auch ihre Forderung, das Thema Obdachlosigkeit in den Koalitionsvertrag auf Bundesebene aufzunehmen. Das Problem betreffe EU, Bund, Länder und Kommunen. Wegen widersprüchlicher Gerichtsurteile seien die Behörden oft verunsichert, inwieweit aus dem Ausland stammende Obdachlose Rechtsansprüche auf Hilfe hätten.
Obdachlose sollen Tiergarten verlassen
Medienberichten zufolge soll das bundesweit bekannt gewordene Zeltlager von Obdachlosen im Berliner Tiergarten in dieser Woche geräumt werden. Dort campierten nach Angaben des Bezirks Mitte zuletzt bis zu 80 Menschen. Derzeit seien Mitarbeiter des Ordnungsamtes, Sozialarbeiter und Polizisten in der Grünanlage unterwegs, um Personalien von Obdachlosen aufzunehmen und sie auf die bevorstehende Aktion hinzuweisen.
Kostka sagte, die am 1. November anlaufende "Berliner Kältehilfe" mit Nachtcafes und Notübernachtungen vor allem in Kirchengemeinden könne die prekäre Lage der Obdachlosen vorerst entspannen. Der Senat dürfe sich jedoch nicht wie bisher mit dieser Lösung zufrieden geben: "Spätestens Ende März haben wir das Problem wieder." Überdies gebe es im Rahmen der Kältehilfe nur wenige Beratungsangebote.
Immer mehr junge Familien in Notschlafstellen
Die Leiterin der Caritas-Anlaufstelle für europäische Wanderarbeiter und Roma, Annette Schymalla, bezeichnete das System der "Kältehilfe" als nur bedingt geeignet für die Versorgung oft suchtkranker männlicher Obdachloser. Zur Begründung führte sie an, dass die Notübernachtungen zunehmend auch Familien mit kleinen Kindern aufnehmen müssten.
Der Caritas-Fachreferent für Wohnungslosenhilfe, Kai-Gerrit Venske, wandte sich gegen Forderungen, Obdachlosen aus anderen EU-Staaten Hilfen zu verweigern. Er sagte, dass die Freizügigkeit in der EU einen Sogeffekt bewirke, der auch mittellose Zuwanderer anziehe. Deutschland profitiere auf dem Bau oder in der Pflege aber stark von der EU-Binnenmigration und müsse auch deren soziale Folgen tragen. (KNA)