Wie teuer war das Reformationsjahr?

Abgerechnet wird zum Schluss - für das Reformationsjubiläum gilt dieser Grundsatz nur bedingt. Denn angesichts einer Vielzahl staatlicher und kirchlicher Akteure - Bund, Länder und Kommunen auf der einen, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Landeskirchen, Kirchenkreise und -gemeinden auf der anderen Seite - gibt es keine zentrale Stelle, der gegenüber alle rechenschaftspflichtig wären oder die auch nur einen Gesamtüberblick hätte.
Am einfachsten lassen sich die Bundesmittel beziffern: Der Bundestag beschloss 2010, von 2011 bis 2017 jährlich fünf Millionen Euro für Projekte im Zusammenhang mit dem Reformationsgedenkjahr zur Verfügung zu stellen, insgesamt 35 Millionen Euro. Daraus wurden dann letztendlich 50 Millionen Euro, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im Sommer mitteilte, die in "kulturelle Projekte und die Sanierung authentischer Stätten der Reformation" flossen.
Bei den Bundesländern machten vor allem diejenigen weitere Millionenbeträge locker, in denen ebendiese "authentischen Stätten" liegen: Sachsen-Anhalt beziffert seine "Gesamtaufwendungen" auf 80 Millionen Euro, hinzu kämen 20 Millionen Euro aus Bundesmitteln und weitere 11 Millionen Euro der EU. Thüringen hat nach Angaben seiner Staatskanzlei seit 2010 "rund 60 bis 65 Millionen Euro" verausgabt. Beide Länder waren dabei nicht ganz uneigennützig, denn die sanierten Lutherstätten in Wittenberg und Eisleben sowie in Eisenach ziehen jährlich viele Touristen aus dem In- und Ausland an. Deutlich geringer waren die Aufwendungen etwa in Bayern (2,5 Millionen Euro) oder Brandenburg (1,2 Millionen Euro von 2011 bis 2017). Hessen gab 235.000 Euro für Kulturprojekte aus und beteiligte sich mit weiteren 300.000 Euro an der Finanzierung der staatlichen Geschäftsstelle in Wittenberg. Andere Länder ließen entsprechende Anfragen schlicht unbeantwortet.
Linktipp: Theologe: Vermarktung Luthers ist "erbärmlich"
Den Personenkult um Martin Luther im Reformationsjahr kritisiert der evangelische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann scharf. Der Reformator tauge nicht als Vorbild für die Gegenwart.Auch auf kirchlicher Seite ist der Kostenrahmen höchst unterschiedlich. Die EKD wollte, so der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm vor einem Jahr, ihre Ausgaben auf "unter 30 Millionen Euro" begrenzen. Ob diese Rechnung angesichts deutlich unter den Erwartungen gebliebener Besucherzahlen aufgegangen ist, wird bei der EKD-Synode im November in Bonn ein Thema sein. Hinzu kommen die zum Teil erheblichen Haushaltsmittel der Landeskirchen. Hier liegt, wenig überraschend, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland mit rund 14 Millionen Euro an der Spitze - davon allein 8 Millionen Euro für den kirchlichen Eigenanteil an Bau- und Restaurierungsmaßnahmen (bei einem Gesamtvolumen von fast 58 Millionen Euro). Mit 10 Millionen Euro für die Jahre 2014 bis 2017 kommt auch die württembergische Landeskirche knapp in den zweistelligen Millionenbereich. In einem mittleren Bereich halten sich etwa die bayerische Landeskirche (3,2 Millionen Euro) und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (3 Millionen Euro) auf, während die beiden größten Landeskirchen von Hannover und im Rheinland mit 1 Million bzw. 1,1 Millionen Euro fast schon bescheiden sind.
"Jeder Tag war ein Geschenk"
Auf ebenfalls 1,1 Millionen Euro kommt die Nordkirche, und die westfälische Landeskirche ist mit rund einer Million Euro dabei, die deutlich kleinere sächsische mit immerhin 950.000 Euro. Die badische Landeskirche beziffert ihren Gesamtaufwand auf 1,3 Millionen Euro, die kleine Anhaltinische Landeskirche auf exakt 782.000 Euro seit 2012. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz kommt auf 500.000 Euro seit 2012. So lückenhaft und unvollständig diese Angaben auch sind, so lässt sich der Einsatz öffentlicher Mittel auf mehr als 210 Millionen Euro beziffern, die evangelischen Kirchen kommen auf rund 70 Millionen Euro. Hinzu kommen Sponsorenmittel in unbekannter Höhe. Sie flossen außer in die bereits erwähnten Sanierungs- und Infrastrukturmaßnahmen sowie die "Weltausstellung Reformation" und den Kirchentag in ungezählte größere und kleinere Projekte: Ausstellungen, Musikveranstaltungen, themenbezogene Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit - und nicht zu vergessen die Personalkosten für die damit befassten und eigens eingestellten Mitarbeiter.
Ob sich der Aufwand gelohnt hat, ist unter den Protestanten umstritten. In der Kritik stehen vor allem die zu groß dimensionierten Events in Wittenberg. Die Stadt selbst zählt dabei allerdings zu den eindeutigen Gewinnern: Neu herausgeputzt, mit einem neuen Hauptbahnhof und weltweit ins Gespräch gebracht. Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) ist rundum zufrieden: "Jeder Tag der Weltausstellung war für uns ein Geschenk."