Was ein Caritas-Betrieb mit Elektroschrott in Afrika zu tun hat.

Aus alt mach neu

Veröffentlicht am 10.11.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Umweltschutz

München ‐ Rund 7.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen ihnen, der Langzeitarbeitslosen aus Oberbayern und dem Schrotthändler in Ghana. Und doch haben sie mehr gemein, als es zunächst scheint. Beide verdienen ihr Geld mit dem, was andere wegwerfen: mit alten Handys, Computern und Kabeln.

  • Teilen:

Ortstermin in Dornach, ein Industriegebiet im Münchner Osten. Hier betreibt die Caritas einen Recyclingbetrieb für Elektroschrott. Ein kleiner Lastwagen bringt gerade Ware in Eisencontainern. Die wird Maria Ernst später hinten in der Halle sortieren. Schwere Stiefel, unter den Arbeitshandschuhen ein Tattoo - ihren richtigen Namen möchte die gelernte Frisörin nicht verraten. Sie hat im Verkauf gearbeitet, später im Kurierdienst - bis "etwas Schreckliches passiert ist". Ihr "allerbester Freund" ist bei einem Autounfall gestorben. Das habe sie aus der Bahn geworfen. "Tür hinter mir zu." Maria Ernst bekam Depressionen, wollte niemanden sehen. "Ich hab' dann in der Verkehrsordnung ein bisschen was angestellt und meinen Führerschein verloren." Damit war auch der Job weg. Langsam komme sie wieder auf die Beine, sagt sie. Die Arbeit beim Weißen Raben hilft ihr dabei.

770.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr

Gegründet haben den Betrieb Studenten Ende der 80er Jahre, sie wollten Medizingeräte in Entwicklungsländer verschicken. Heute bleiben die Geräte im Land. Denn der Weiße Rabe ist einer von bundesweit 50 Sozialbetrieben, die mit Elektroschrott arbeiten und damit einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Bild: ©2014 KNA

Das wertvolle Kupfer aus Elektrokabeln wird von der PVC-Ummantelung befreit im Recyclingbetrieb der Caritas "Weißer Rabe".

Elektroschrott lässt die Müllberge dieser Welt am stärksten wachsen, sagen Experten. Allein im Jahr 2010 wurden laut Europäischer Statistikbehörde 770.000 Tonnen an den Sammelstellen abgegeben - allerdings ist das nur ein Bruchteil dessen, was zu erwarten wäre angesichts der durchschnittlichen Nutzungsdauer eines Geräts.

Folgenschwere Exportware

Ein Handy ist in Deutschland etwa eineinhalb Jahre in Gebrauch. Pro Jahr werden etwa 33 Millionen neue Mobiltelefone verkauft. Doch wohin mit den Alten? Die Umweltschutzorganisation Greenpeace schätzt, dass die Länder des Nordens im Jahr 40 bis 50 Millionen Tonnen Elektroschrott nach Asien oder Afrika exportieren - auch wenn das in Deutschland verboten ist. Als "Gebrauchsware" deklariert, landet so mindestens jedes zweite kaputte Altgerät in Entwicklungsländern - mit fatalen Folgen für Mensch und Umwelt, wie 2011 selbst die Bundesregierung einräumte.

Da verbrennen dann junge Männer auf afrikanischen Müllkippen Kabel, wie eine Greenpeace-Dokumentation illustriert. Sie atmen das giftige Dioxin ein, das beim Verbrennen von PVC entsteht - allein um an das wertvolle Kupfer im Inneren zu kommen. Weil Know-how und Technik fehlen, ist außerdem oft ein Großteil der wertvollen Rohstoffe unwiederbringlich verloren. Denn während die Industrienationen inzwischen bis zu 70 Prozent der in Computerplatinen enthaltenen Edelmetalle wiederverwerten, sind es in Entwicklungsländern lediglich 15 Prozent. Dabei lohnt sich das Recycling längst auch wirtschaftlich, wie die Greenpeace-Expertin Claudia Sprinz erläutert. Schließlich handle es sich nicht um nachwachsende Rohstoffe.

Umweltschonend und wirtschaftlich rentabel

Der Weiße Rabe verfolgt genau dieses Ziel. Werkstattleiter Roland Ulrich zufolge kommen jedes Jahr 1.500 Tonnen Elektroschrott an. Die rund 70 Mitarbeiter sortieren dann, trennen Schad- von Wertstoffen, bauen etwa quecksilberhaltige Neonröhren aus Bildschirmen aus und entsorgen sie separat. Und sie recyceln haushaltsübliche Kupferkabel mit einer riesigen Mühle. Übrig bleibt, was Werkstattleiter Ulrich durch seine Finger rieseln lässt: Kupfergranulat in der einen Gitterbox, feine PVC-Körnchen in der anderen. "Das kann man ruhig anfassen, das ist ein gutes Material", sagt er.

So gut, dass es in einer Kupferschmelze in der Oberpfalz wieder aufbereitet wird. Und aus dem PVC werden in Tschechien Überfahrplatten fabriziert. Der Weiße Rabe könne dadurch mit einer Recyclingquote von über 90 Prozent aufwarten, sagt der Werkstattleiter nicht ohne Stolz. Das sind immerhin deutlich mehr als die seit 2005 gesetzlich vorgeschriebene Recyclingquote von 50 bis 80 Prozent für Elektronikgeräte. Noch in diesem Herbst soll eine Überarbeitung in Kraft treten. Darin geht es um höhere Quoten und die Bekämpfung des illegalen Handels.

Für die Greenpeace-Aktivistin Sprinz sind solche Korrekturen eher kosmetischer Natur. Sie ist der Meinung: So lange immer mehr neue Geräte auf den Markt kommen, wird sich am globalen Elektroschrottproblem nichts ändern, und der Schrotthändler in Ghana und die Arbeitslose in Dornach werden weiterhin mit dem arbeiten, was andere wegwerfen.

Von Veronika Wawatschek (KNA)