Über die Zukunft der Ökumene

Wie geht es nach dem Lutherjahr weiter?

Veröffentlicht am 31.10.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Am Turm einer Kirche hängt ein großes Luther-Banner.
Bild: © dpa
Ökumene

Bonn ‐ Das Reformationsgedenkjahr geht zu Ende. Was hat sich im Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten bewegt? Katholisch.de schaut auf die vergangenen zwölf Monate zurück und gibt einen Ausblick auf die Zukunft.

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Für den Alltag von gemischtkonfessionellen Paaren hat sich im Reformationsjahr nichts verändert: Eine katholische Frau und ihr evangelischer Mann dürfen nach katholischer Lehre auch weiterhin weder gemeinsam die Kommunion noch das Abendmahl empfangen können. Viele katholisch-evangelische Paare, aber auch andere ökumenisch engagierte Christen hatten sich hier einen konkreten Fortschritt erhofft.

Ein solcher Fortschritt ist zwar bislang ausgeblieben. Doch zumindest einen Anstoß zur Klärung dieser Frage hat das gemeinsame Reformationsgedenken gegeben.

Und der kam gleich zu Anfang von höchster Ebene. Papst Franziskus und der Lutherische Weltbund erklärten die Frage einer gemeinsamen Eucharistie und eines gemeinsamen Abendmahls am Reformationstag 2016 im schwedischen Lund zur Priorität im ökumenischen Dialog: "Viele Mitglieder unserer Gemeinschaften sehnen sich danach, die Eucharistie in einem Mahl zu empfangen als konkreten Ausdruck der vollen Einheit", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die beide in Lund unterzeichneten. Vatikan und Lutherischer Weltbund hätten eine "gemeinsame pastorale Verantwortung, dem geistlichen Hunger und Durst unserer Menschen, eins zu sein in Christus, zu begegnen", so die Erklärung weiter. Daher müsse der theologische Dialog darüber vertieft werden. Von konkreten Folgen dieses Aufrufs ist allerdings bis heute nichts bekannt geworden. Theologische Gespräche zwischen Vatikan und Lutherischem Weltbund über das Eucharistieverständnis gibt es noch nicht.

Schwieriger Dialog

Wie schwierig ein solcher Dialog ist, zeigte sich bereits kurz nach der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung. Der vatikanische Ökumene-Verantwortliche Kardinal Kurt Koch erklärte, nächste Aufgabe müsse eine gemeinsame Erklärung von Katholischer Kirche und Lutherischem Weltbund über Kirche, Eucharistie und Amt sein. Als Vorbild nannte der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen die Gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigungslehre von 1999. Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes sagte hingegen, eine zweite gemeinsame Erklärung, die keine Konsequenzen für das Erleben von Gemeinschaft für die Menschen vor Ort hat, "wäre nicht hilfreich". Beide Seiten müssten sich zuvor darüber verständigen, welches Ziel man anstrebe, so Martin Junge.

Auf internationaler Ebene hat sich bislang also offenbar nichts oder wenig bewegt. Kardinal Koch zeigte jedoch Spielraum auf, wie nationale und regionale Bischofskonferenzen in dieser Frage voranschreiten können.

Bild: ©KNA

Munib Younan, Präsident des Lutherischen Weltbunds, und Papst Franziskus unterzeichnen am 31. Oktober 2016 die Gemeinsame Erklärung anlässlich des katholisch-lutherischen Reformationsgedenkens in der lutherischen Kathedrale von Lund.

Koch unterscheidet zwischen einer eucharistischen Gemeinschaft und einer eucharistischen Gastfreundschaft. Bei der Gemeinschaft gehe es um die Einheit der Kirche, also letztlich um eine Frage der Lehre. Die Gastfreundschaft betreffe jedoch gemischtkonfessionelle Paare im konkreten Einzelfall und sei daher eine "pastorale Frage", auf die es "keine allgemeine Antwort" gebe. Hier sei "die Verantwortung der Ortskirche gefragt", so der Schweizer Kurienkardinal.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat diesen Vorschlag Kochs aufgegriffen und sich während ihrer Frühjahrsvollversammlung in diesem Jahr mit der Interkommunion für gemischtkonfessionelle Paare befasst. Das Thema wurde an die beiden zuständigen Kommissionen für Glaubensfragen und für Ökumene überwiesen. Beide Gremien beraten derzeit noch über das Thema. Unter den deutschen Bischöfen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sowie sein neuer Stellvertreter, der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, sind die vehementesten Befürworter eines Kommunionempfangs für gemischtkonfessionelle Paare im Einzelfall. Für Bode ergibt sich die Zulässigkeit einer solchen Praxis aus dem päpstlichen Schreiben "Amoris laetitia". Wenn der Kommunionempfang im Einzelfall für wiederverheiratete Geschiedene möglich ist, dann gelte das erst recht für gemischtkonfessionelle Paare. Nicht alle Bischöfe teilen jedoch diese Sichtweise. Befürworter der bisherigen Praxis machen geltend, dass eine solche Entscheidung so schwerwiegend sei, dass sie nur auf weltkirchlicher Ebene getroffen werden könne. Zudem gibt es grundsätzliche Bedenken, ob eine Zulassung zur Kommunion ohne eine vorherige Verständigung über das Verständnis von Kirche und Amt überhaupt möglich ist. Sie äußerte zuletzt der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki.

Das Schweigen des Papstes

Die beiden Kommissionen der Bischofskonferenz klären nun voraussichtlich bis zur nächsten Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe, ob eine Änderung der bisherigen offiziellen Praxis möglich ist. Bedeutsam für die Entscheidungsfindung ist, ob es sich hierbei um eine Glaubensfrage oder eine seelsorgerische Frage handelt. Für eine Entscheidung in Glaubensfragen muss Einmütigkeit in der Bischofskonferenz herrschen, handelt es sich um eine pastorale Frage gilt dies nicht. Kardinal Marx machte jedoch zum Abschluss der Herbstvollversammlung deutlich, dass er als Vorsitzender die Verpflichtung habe, einen möglichst breiten Konsens in der Bischofskonferenz herzustellen.

Zusätzlich schwierig macht den ohnehin schon komplizierten Fall das Schweigen des Papstes. Anders als im Fall der wiederverheirateten Geschiedenen gibt es von Franziskus bislang kein lehramtliches Dokument, in dem er sich zum Umgang mit gemischtkonfessionellen Paaren äußert. Es gibt allein seine bekannte Bemerkung in der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde Roms vom November 2015. Angesprochen auf den gemeinsamen Kommunionempfang gemischtkonfessioneller Paare sagte er damals: "Ich werde es nie wagen, es zuzulassen, denn das liegt nicht in meiner Kompetenz." Dann fuhr er fort: "Fragen Sie den Herrn und dann gehen Sie weiter!" Mehr wage er nicht zu sagen. Viele gemischtkonfessionelle Paare wagen mehr zu hoffen.

Von Thomas Jansen