Unsere Liebe Frau in Jerusalem: Maria als "lebendiger Tempel" Christi

Am 21. November begeht die katholische Kirche einen der wenigen Gedenktage, die auf ein Evangelium zurückgehen, das nicht ins Neue Testament aufgenommen wurde: den Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem. Zugrunde liegt ihm eine Erzählung über Maria aus dem Jakobusevangelium, das um die Mitte des zweiten Jahrhunderts entstand.
Das Jakobusevangelium berichtet, dass die Gottesmutter Maria zu ihrem dritten Geburtstag von ihren Eltern Anna und Joachim zum Tempel von Jerusalem gebracht wurde, wo sie für den Tempeldienst ausgebildet werden sollte. Die vier Evangelien des Neuen Testaments wissen nichts von einem solchen Vorgang. Das Fest wurde daher früher auch "Mariä Tempelgang" genannt.
Die lateinische Kirche des Westens übernahm das Fest im 14. Jahrhundert von der Kirche im Osten, wo es bereits seit dem 8. Jahrhundert begangen wurde, unter dem Namen Mariä Opferung. 1371 wurde es unter Papst Gregor XI. auf Anregung eines Gesandten aus Zypern erstmals am päpstlichen Hof gefeiert, der damals im französischen Avignon residierte. Papst Sixtus IV. schrieb es 1472 für die gesamte katholische Kirche fest. Doch ganz einig über die Berechtigung dieses Festes waren sich seine Nachfolger offenbar nicht: Mehrere Päpste strichen es wieder aus dem Festkalender, etwa Pius V. (1566 bis 1572). Eine "Opferung", also eine Übergabe Mariens zur Erziehung unter Tempeljungfrauen ist historisch nicht nachweisbar.
Herabgestuft durchs Konzil
Eine Weile hieß das Fest auch "Gedächtnis der Darstellung der seligen Jungfrau Maria". Seinen heutigen Namen erhielt der Tag im Zuge der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Das Fest Mariä Opferung wurde zum Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem herabgestuft. Der heutige Name erinnert an den Ursprung des Festes, die Weihe der Kirche "Sancta Maria Nova" in Jerusalem am 21. November 543 unter Kaiser Justinian.
Die theologische Aussage des Gedenktages ist laut Stundenbuch, dem Gebets- und Andachtsbuch der katholischen Kirche, dass Maria durch ihr "bedingungsloses Ja zum Willen Gottes" zum "Tempel für den Sohn Gottes geworden" sei. Somit verkörpere sie das Urbild der Tochter Zion (Jerusalem). Sie könne daher an diesem Gedenktag "als der lebendige Tempel Jesu Christi verehrt werden", heißt es im Stundenbuch. (tja)
Der Artikel erschien erstmals am 21. November 2017 und wurde am 21. November 2019 aktualisiert.