Kardinal wehrt sich gegen Vertuschungsvorwürfe

Nach Vorwürfen wegen sexuellen Missbrauchs in einem Vatikan-Internat hat der zuständige Kurienkardinal den Vorwurf zurückgewiesen, er habe kirchliche Ermittlungen behindert. "Ich habe nichts vertuscht, sondern im Gegenteil drei Untersuchungen angeordnet, nachdem ich anonyme Hinweise erhalten habe", erklärte Kardinal Angelo Comastri laut italienischen Medienberichten. Als Generalvikar des Papstes für den Vatikanstaat ist er für das Internat zuständig. Die Untersuchungen fanden laut Comastri keine Anhaltspunkte dafür. Dennoch habe er die Erzieher des Internats komplett ausgetauscht. "Ich habe das Mögliche getan, um das ans Licht zu bringen, was im Kolleg passiert ist", so Comastri.
Comastri reagierte damit auf einen Bericht im italienischen Fernsehen vom Sonntag, der ihm vorwirft, er habe Fälle von sexuellem Missbrauch am "Preseminario San Pio X" im Vatikan vertuscht. Auch der ehemalige Bischof von Como, Diego Coletti, soll involviert gewesen sein. Die Bischöfe der norditalienischen Diözese übernehmen mit ihrem Amt jeweils auch die Ausbildung im Internat. Die Fälle sollen sich laut dem TV-Magazin "Le Iene" vor rund zehn Jahren ereignet haben.
Bereits 2013 hat es Untersuchungen gegeben
In einem ersten Bericht des TV-Magazins vom 12. November hatte ein ehemaliger Bewohner des Internats berichtet, sein Zimmernachbar im Seminar sei vor seinen Augen mehrfach von einem Seminaristen sexuell missbraucht worden. Der Schuldige sei später zum Priester geweiht, er selbst aber der Einrichtung verwiesen worden. Der Vatikan teilte daraufhin mit, dass die Ermittlungen aufgrund der neuen Aussagen wiederaufgenommen worden seien. Bereits 2013 habe es Untersuchungen gegeben. Damals habe man aber keine "entsprechenden Bestätigungen" gefunden.
Auch der jetzige Bischof von Como, Oscar Cantoni, mahnte am Wochenende in einem Brief an seine Diözese Ehrlichkeit an. Man müsse sich Realitäten stellen; Versuche, "irgendetwas zu verheimlichen", seien "aussichtslos". In der Diözese selbst verursachten die Vorfälle für erhebliche Unruhe.
Erstmals öffentlich gemacht hatte die Missbrauchsvorwürfe der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi in seinem Buch "Peccato originale", das Anfang des Monats in Italien erschien.
Das "Preseminario San Pio X" ist ein 1956 gegründetes Internat mit Sitz im Vatikan, unweit des vatikanischen Gästehauses Santa Marta. Es nimmt Schüler auf, die am Priesterberuf interessiert sind. Die Schüler werden als Messdiener im Petersdom eingesetzt. (tja)