Gesellschaft für bedrohte Völker besorgt über Lage in Pakistan

Islamisten protestieren - Justizminister tritt zurück

Veröffentlicht am 27.11.2017 um 11:10 Uhr – Lesedauer: 
Pakistan

Nach einem Protest von Tausdenden Islamisten in Pakistan tritt der Justizminister des Landes zurück. Der Vorwurf: Gotteslästerung. Die Gesellschaft für bedrohte Völker spricht von einem "schwarzen Tag".

  • Teilen:

Eine wochenlange Blockade der pakistanischen Hauptstadt Islamabad durch Tausende islamistische Demonstranten endet am Montagmorgen nach Medienberichten mit dem Rücktritt von Justizminister Zahid Hamid. Den hatten die Protestierer, die seit dem 8. November an der wichtigsten Einfallstraße der Stadt ein "Sit-In" veranstaltet hatten, verlangt. Sie warfen ihm Gotteslästerung vor: Er hatte den Text des Eides, den Parlamentarier ablegen müssen, ihrer Meinung nach zugunsten einer umstrittenen religiösen Minderheit, der Ahmadi, abgeändert. Ahmadis sind eine islamische Sondergemeinschaft, die in Pakistan nicht als Muslime anerkannt werden.

"Wir haben eine Vereinbarung mit der Regierung getroffen, und wir werden das Sit-In heute beenden", sagte der Sprecher der religiösen Partei Tehreek-i-Labaik Ya Rasool Allah (TLY), Pir Zubair Kasrui, der Deutschen Presse-Agentur. Die Zeitung "Dawn" berichtete am Montag, dass der Rücktritt des Justizministers Teil einer über Nacht geschlossenen Vereinbarung zwischen Demonstranten und Regierung sei. Geo TV berichtete, außerdem solle es ein "Ermittlungsverfahren" geben, um gegen jene vorzugehen, die für den abgeänderten Amtseid verantwortlich gewesen seien. Verhaftete Demonstranten sollten freigelassen und die Fälle gegen sie fallengelassen werden. Die Regierung scheint damit allen Forderungen der Demonstranten nachzugeben.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) befürchtet nun eine weitere Einschränkung der Religionsfreiheit für Andersgläubige und noch mehr Übergriffe auf Christen, Hindu und Ahmadiyyah in dem überwiegend sunnitischen Staat. "Dies ist ein schwarzer Tag für Pakistans religiöse Minderheiten", sagte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Montag in Göttingen. Wenn schon der Justizminister vor willkürlichen Blasphemie-Vorwürfen nicht sicher sei, dann müssten sich Andersgläubige noch viel mehr um ihre Glaubensfreiheit und Sicherheit sorgen. "Denn die umstrittenen Blasphemie-Vorschriften werden systematisch auf allen Ebenen der Gesellschaft und Politik missbraucht, um Andersgläubige, politische Konkurrenten oder missliebige Nachbarn auszuschalten", sagte Delius.

Das mächtige religiöse Lager in Pakistan

Am Samstag hatten rund 8000 Polizisten und Paramilitärs versucht, den Protest aufzulösen, der drei Wochen lang Hunderttausende Pendler aus den Nachbarstädten Islamabad und Rawalpindi schwer behindert hatte. Sie setzten Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein. Die Demonstranten warfen Steine und zündeten Autos und Reifen an. Sechs Menschen starben, rund 200 wurden verletzt. Aus Angst vor Eskalation wurde die Aktion abgebrochen.

Das religiöse Lager in Pakistan ist mächtig und Fernsehbilder der Polizeioperation hatten zusätzliche Demonstranten in die Stadt strömen lassen. Auch in anderen Großstädten gab es spontan Proteste. Die Regierung rief schlussendlich die Armee zu Hilfe, aber auch die war zögerlich, aktiv zu werden.

Nur rund 1,6 Prozent der 200 Millionen Bewohner Pakistans sind Christen, zwei Prozent sind Hindu und 95 Prozent sind Muslime. Immer wieder kommt es zur umstrittenen Anwendung des sogenannten "Blasphemieparagraphen". Einer der bekanntesten Fälle ist der von Asia Bibi. Die Christin sitzt seit mehr als acht Jahren wegen angeblicher Beleidigung des Propheten Mohammed in einem pakistanischen Gefängnis. Mehrfach hatten islamische Führer und zuletzt über 3000 muslimische Demonstranten die Hinrichtung Bibis gefordert. (bod/dpa)