Zum 100. Geburtstag des deutschen Religionsphilosophen

Eine neue Theologie gegen die Angst

Veröffentlicht am 06.01.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Menschen

München ‐ Helmut Kohl nannte ihn einen "Pastor für alle Lebenslagen", auch Theo Waigel schätzte ihn: Dem Religionsphilosophen Eugen Biser lauschten aber nicht nur die Mächtigen. Heute wäre er 100 geworden.

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Ein kleiner Mann auf einer knatternden blauen Vespa - so kannten ihn viele Münchner. Wenn Eugen Biser zur Vorlesung fuhr, wartete stets ein voller Hörsaal auf ihn. Auch noch 20 Jahre nach seiner Emeritierung. Vielleicht übte der 2014 verstorbene katholische Religionsphilosoph auf sein Publikum auch deshalb so eine Faszination aus, weil da ein unscheinbarer, völlig unprätentiöser Mensch mit leiser Stimme Unerhörtes zur Sprache brachte. Am 6. Januar wäre er 100 Jahre alt geworden. Seine Impulse wirken weiter.

Biser stammt aus Oberbergen im Kaiserstuhl. Als junger Priester hatte er sich nichts Geringeres vorgenommen als eine "neue Theologie" zu begründen. Glaube war für ihn in erster Linie eine existenzielle Erfahrung und nicht ein abstraktes System dogmatischer oder moralischer Lehrsätze. Dass Papst Franziskus heute von der Kirche als "Feldlazarett" spricht, hätte ihm sicher gefallen. Jesus war für den Badener der "größte Revolutionär der Religionsgeschichte".

Der Mann aus Nazareth habe alles Angst- und Schreckenerregende aus dem Gottesbild der Menschheit getilgt und dafür das Antlitz des bedingungslos liebenden Vaters enthüllt, lautete seine zentrale Erkenntnis. Die hatte er nicht am Schreibtisch gewonnen. Als Theologiestudent im Fronteinsatz brachte er sich im Russlandfeldzug durch eine unbedachte Bemerkung über Adolf Hitler in Schwierigkeiten. Ein Kriegsgericht verurteilte ihn zu einem Himmelfahrtskommando, das die meisten seiner Einheit nicht überlebten. Er selbst kehrte aus der Schlacht um Stalingrad schwer verwundet heim.

"Therapeutische Religion"

Den christlichen Glauben als wirksames Heilmittel gegen jedwede Lebensangst suchte er seither bei jeder Gelegenheit zu vermitteln. Das Christentum müsse sich als "therapeutische Religion" erweisen. Einen Schülerkreis im engeren Sinn brachte Biser nicht hervor. Denn Theologen konnten bei ihm nicht promovieren, weil sein Romano-Guardini-Lehrstuhl in München der Philosophischen Fakultät zugeordnet war. Dennoch erzielte er mit seinen rund 150 Büchern und nicht zuletzt als charismatischer Universitätsprediger, Begründer des Münchner Seniorenstudiums und Vortragsredner eine Breitenwirkung wie nur wenige andere Vertreter seines Faches.

Bild: ©

Der Religionsphilosoph Eugen Biser starb am 24. März 2014 im Alter von 96 Jahren.

Zu seinen runden Geburtstagen gaben sich Verfassungsrichter, Universitätspräsidenten und prominente Unionspolitiker ein Stelldichein. Helmut Kohl sagte einmal über seinen Duz-Freund: "Ich habe dich immer bewundert, weil du dich als Priester verstanden hast, der für Menschen da ist, und zuhören kannst." Nicht nur der Kanzler schätzte Bisers seelsorglichen Beistand, auch sein Finanzminister Theo Waigel.

Seit 2002 pflegt die Eugen-Biser-Stiftung das geistige Erbe des Gelehrten. Sie richtet ihren Blick aus christlichem Welt- und Werteverständnis auf alle Bereiche menschlicher Existenz mit dem Ziel, das Zusammenleben in der demokratischen Gesellschaft zu fördern.

Engagiert im interreligiösen Dialog

Besonders profiliert ist ihr Engagement im interreligiösen Dialog. Mit dem Projekt eines christlich-muslimischen Dialog-Lexikons zu zentralen Begriffen der beiden Religionen, das in jahrelanger Zusammenarbeit deutscher und türkischer Autoren entstand, gelang 2013 ein Meilenstein. In diesem Jahr entwickelte die Stiftung ein interreligiöses Training für Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst. Solche Aktivitäten trugen ihr unlängst den Ersten Bürgerpreis des Bayerischen Landtags ein.

Bisers 100. Geburtstag wird mit einer Reihe von Veranstaltungen, Publikationen und Gedenkfeiern begangen. Der Inhaber des Eugen-Biser-Stiftungslehrstuhls an der Hochschule für Philosophie, Gregor Sans, veröffentlicht eine Festschrift mit dem Titel "Gottesbilder - Eugen Biser als theologischer Grenzgänger". Der Münchner Kardinal Reinhard Marx wird am 12. Januar in der Universitätskirche Sankt Ludwig einen Gottesdienst halten. In diesem Rahmen soll auch eine Gedenktafel enthüllt werden.

Von Christoph Renzikowski (KNA)