Ein vergiftender Tropfen...
Die "ganze Stoßrichtung" der Demonstrationen sei aber "inakzeptabel". Der Münchner Erzbischof wandte sich im RBB-Inforadio vor allem gegen die Vorstellung, das christliche Abendland "hätte etwas mit Ausgrenzung zu tun". Marx plädierte für eine "konkrete und engagierte Flüchtlingsarbeit". Sie helfe, Ängste und Vorurteile abzubauen. Die sei auch eine Aufgabe der Kirchen. "Ich bin dankbar, dass viele in unseren Pfarreien das tun", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Weiter mahnte Marx eine "gut geplante Einwanderungspolitik" an, die nicht "mit der Flüchtlingssituation vermischt werden" dürfe. Zwar sei jetzt die konkrete Hilfe für Flüchtlinge vorrangig. Sie könne jedoch eine Einwanderungspolitik nicht ersetzen, die "noch lange nicht auf dem Weg" sei, so der Kardinal. Überdies bezeichnete er eine strikte Unterscheidung in Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge als "nicht hilfreich". Eine solche Trennung sei "nie genau zu ziehen". Es sei zudem nicht illegitim, wenn Menschen aus anderen Ländern kommen, "weil sie hier eine neue Chance suchen".
EKD: Dialog mit Muslimen und Demonstranten
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warb für Begegnungen. "Das heißt, Muslimen begegnen, den Millionen, die hier friedlich mit uns leben", sagte er im "Interview der Woche" des SWR. Aufgabe der Kirchen sei es, Räume für solche Begegnungen zu schaffen. Gegen die menschenfeindliche Einstellung, die auf den Pegida-Demonstrationen teilweise zu spüren sei, müsse man "klare Kante" zeigen. Zugleich dürfe man Teilnehmer, die Probleme wie etwa die Altersarmut beschäftigten, nicht abwerten.
Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnete es in der "Bild am Sonntag" als "widerlich", Weihnachtslieder gegen Flüchtlingsheime zu singen. "Anständige Leute laufen solchen Typen nicht hinterher", sagte er im Hinblick auf die Pegida-Organisatoren, von denen nicht wenige "verurteilte Kriminelle, Neonazis und Antisemiten" seien. Dennoch, so der Bundeswirtschaftsminister weiter, müsse man sich mit Menschen befassen, die offenbar glaubten, kein Gehör mehr zu finden.
Kulturkampf oder vergiftete Debatte?
Der Politologe Hans-Gerd Jaschke bezeichnete die aktuelle Auseinandersetzung als "Kulturkampf". Bei den Europawahlen im Mai 2014 seien islamkritische Parteien nur in Deutschland erfolglos geblieben. Diese Entwicklung hole Deutschland nun nach, so der Forscher im Magazin "Der Spiegel". Ein Grund dafür sei, dass das konservative Denken sich verflüssigt habe: "Die Politik des Bewahrens der Natur, der Werte und Traditionen, eingebunden in christliche, vor allem katholische Milieus, findet man heute mehr oder weniger bei vielen Parteien und Interessenverbänden", so Jaschke. Er forderte eine stärkere Diskussion darüber, wie die multikulturelle Gesellschaft leben wolle.
Die Schriftstellerin Monika Maron warnte vor einer vergifteten Debatte. "Die unverhohlene Verachtung für Pegida wirkt wie ein Wachstumshormon", schreibt sie in einem Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag". Die Autorin ("Zwischenspiel") forderte das Ertragen anderer Meinungen: "Wir preisen die offene Gesellschaft und verweigern die offene Diskussion. Pegida ist nicht die Krankheit, Pegida ist nur ein Symptom."
Lob für verdunkelten Kölner Dom bei Pegida-Demo überwiegt
Derweil löste die angekündigte Verdunkelung des Kölner Doms aus Protest gegen eine Pegida-Demonstration am Montag überwiegend positive Reaktionen aus. Die offiziöse Tageszeitung des Vatikan "Osservatore Romano" berichtet in ihrer italienischen Sonntagsausgabe ausführlich über die Entscheidung. Die Zeitung erklärt dazu, Ressentiments gegenüber Migranten hätten in den vergangenen Monaten in Deutschland "exponentiell" zugenommen.
Neben den Bundespolitikern Rolf Mützenich (SPD) und Norbert Röttgen (CDU), hat auch der frühere Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) die Aktion begrüßt. Er habe Dompropst Norbert Feldhoff "zu dieser Entscheidung gratuliert", sagte Schramma im "Deutschlandfunk". Feldhoff plant, die den Dom erhellenden Scheinwerfer während der Kundgebung abzuschalten, in der islam- und ausländerfeindliche Äußerungen erwartet werden. Auch Schramma wandte sich dagegen, dass der Dom "als beleuchteter Hintergrund vielleicht für Bilder, die durch die Welt gehen nachher, ein Spektakulum wird".
Mit seiner Entscheidung stieß Feldhoff auch auf Kritik. Gerade die überraschend negativen Reaktionen bis hin zu Kirchenaustritten hätten ihn darin bestätigt, "dass es richtig war, so zu handeln", sagte er dem Kölner "domradio". Nach eigenen Angaben traf er die Entscheidung zunächst allein, erhielt nachträglich aber die volle Unterstützung von Kardinal Rainer Maria Woelki und dem Domkapitel.
„Ein K.O.-Tropfen in dem besten Getränk vergiftet das ganze Getränk.“
Feldhoff bezeichnete die Pegida-Bewegung als "eine außerordentlich gemischte Versammlung". Mit dabei seien auch "wohlmeinende, besorgte Bürger, darunter auch gute Katholiken", so Feldhoff. Allerdings reiche das Spektrum bis hin zu Populisten und Rechtsextremen. Diese "komplexe Mischung" sei das eigentlich Kritische. Seine These sei: "Ein K.O.-Tropfen in dem besten Getränk vergiftet das ganze Getränk", sagte der Dompropst. Die Aktion des Domkapitels sei gemeint als Aufruf: "Folgen Sie denen nicht."
Das Domkapitel hatte angekündigt, während der nächsten Demonstration der Pediga-Bewegung am Montag in Köln die Beleuchtung des Doms abzuschalten. Bei einer Demonstration der rechtspopulistischen Gruppierung "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) am 26. Oktober in Köln kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. (luk/KNA)