Brot, Böller und Spenden
Alle Jahre wieder ruft das evangelische Entwicklungswerk "Brot für die Welt" zu der Spendenaktion "Brot statt Böller" auf. Seit dem Start im Jahr 1981 ist das Ziel der Kampagne, dass Christen an Silvester für Menschen in Not spenden, statt Geld für Feuerwerk auszugeben. Und jedes Jahr gibt es auch Kritik am Motto der Aktion. Allen voran fordert die auf soziale Gerechtigkeit spezialisierte "Aktion 3. Welt Saar" (A3WS) jährlich kurz nach Weihnachten, dass der Spendenappell abgeschafft oder in "Brot UND Böller" umbenannt wird. Der Aufruf sei "lustfeindlich" und verursache "politischen Flurschaden", da er einen Zusammenhang zwischen Silvesterfeuerwerk sowie Hunger und Armut in der Welt unterstelle, verkündete der Verein in Saarbrücken.
Ein schlechtes Gewissen würde nicht gegen Hunger helfen und das Feiern sei auch keine Sünde, erklärte die Hilfsorganisation. "Der Einsatz für Gerechtigkeit und Solidarität führt ins Leere, wenn er mit einer Leidensmiene und dem moralischen Zeigefinger einher geht", sagte Alex Feuerherdt von A3WS. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen dem Silvesterfeuerwerk und dem Hunger in der Welt. Genauso gut wie zu Böller-Verzicht könnte man dazu aufrufen, "keine Weihnachtsbäume, Smartphones, Bücher oder Jogginganzüge zu kaufen, keinen Wein zu trinken oder Fußballspiele ausfallen zu lassen".
Sternsinger sehen keinen Zusammenhang zwischen Böllerverzicht und Spenden
Die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, widerspricht dem Vorwurf, "typisch protestantische Spaßverderber" zu sein und versucht, den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Unserer Gesellschaft fehle es nicht an Spaß oder Konsum, so Füllkrug-Weitzel. "Vor lauter Spaßorientierung könnten wir verpassen, was das Leben an Glück und Freude bereithält". Teilen und Gemeinschaft seien hingegen wesentliche Glücksfaktoren, die Freude machten.
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Auch einige katholische Hilfswerke führen ihre Spendenaktionen zu Jahresbeginn durch – allerdings nicht mit dem Aufruf verbunden, weniger Feuerwerkskörper abzufeuern, wie eine Sprecherin des Internationalen Katholischen Missionswerks Missio München betont. Je nach Bistum findet zwischen dem 1. und 14. Januar der "Afrikatag" von Missio statt, an dem die Einnahmen der Kollekte in die Ausbildung von Ordensfrauen und Priestern für die Seelsorge sowie die Sozialarbeit fließen. "Es wäre auch in unserem Interesse und würde uns freuen, wenn Menschen statt des unnötigen Böllerns etwas Sinnvolles mit dem Geld machen," so die Sprecherin. In diesem Jahr weist das Missionswerk gemeinsam mit der Moderatorin und Schirmherrin Gundula Gause auf die Ungerechtigkeit in Ländern wie dem Kongo hin, wo die Mehrheit der Bevölkerung unter bitterer Armut leide, während sich die Politiker bereicherten.
Weitaus bekannter ist die Aktion Dreikönigssingen, bei der nach Weihnachten bis Mitte Januar landauf landab die Sternsinger von Haus zu Haus ziehen und die Bewohner für das Jahr segnen. Auch die Sprecherin des Kindermissionswerks in Aachen würde sich freuen, wenn jemand bewusst mehr gibt. Allerdings sieht Urte Podszuweit keinen kausalen Zusammenhang zwischen Feuerwerks-Verzicht und Spenden: "Das kann man nicht eins zu eins aufrechnen, denn wer weniger böllert spendet deshalb nicht automatisch an ein Hilfswerk." Podszuweit glaubt auch nicht, dass sich die Spendenaktionen rund um Neujahr in die Quere kommen, denn die Sternsinger erreichten Menschen an der Haustür, für den Afrikatag werde in den Gottesdiensten gesammelt und "Brot statt Böller" funktioniere eher per Überweisung.
Spendenvolumen für "Brot statt Böller" unbekannt
Tatsächlich weiß man auch bei "Brot für die Welt" selbst nicht, wie viele Menschen anlässlich der Silvester-Aktion Geld spenden. Zwar wird mit dem Slogan "Brot statt Böller" geworben, aber als eigenes Stichwort bei der Online-Überweisung taucht der Slogan neben Stichworten wie Ernährung, Bildung oder Gesundheit nicht auf. Auch gebe es keine eigenen Spendenträger auf denen "Brot statt Böller" stehe, erklärt Sprecherin Renate Vacker. Und da rund um den Jahreswechsel noch viel für die große Weihnachtsaktion des Hilfswerks gespendet werde, könne man auch nicht einfach annehmen, dass die dann einfließenden Spenden sich automatisch auf die "Brot statt Böller"-Aktion beziehen.
Reagiert hat das Hilfswerk auf die Kritik trotzdem: Seit sieben Jahren wird der Slogan mit einer Zeile wie "Teilen macht Freude" oder "An Silvester Freude teilen" ergänzt. Auf der Aktionsseite schlägt das Hilfswerk vor, im Rahmen der Silvester-Feier eine Spendendose aufzustellen und einen Teil des Silvester-Etats zu spenden, wenn "ein paar Böller weniger im Einkaufskorb landen". Nicht der Verzicht soll im Vordergrund stehen, sondern dass man aus Anlass einer Feier teile. "Brot statt Böller" sehe sich als Einladung an alle, denen Silvesterfeuerwerk eher Unbehagen bereitet, weil Millionen Euro verpulvert würden.
Der Verband der pyrotechnischen Industrie schätzt den diesjährigen Umsatz mit Feuerwerkskörpern in Deutschland auf 137 Millionen Euro, was knapp 1,70 Euro pro Kopf bedeuten würde. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte mit dem Geld die Gesundheitsversorgung im Südsudan für ein Jahr gedeckt werden. "Brot für die Welt" wolle auf die erhebliche Summe hinweisen, die für einen kurzen Moment der Freude ausgegeben werde, so Vacker. Die Freude darüber, mit anderen Menschen zu teilen, währe viel länger.
Jedenfalls werde "Brot für die Welt" immer wieder auf die Aktion angesprochen und ob es sie noch gebe. Den etablierten Namen "Brot statt Böller" werde man nicht aufgeben, auch wenn man mit den jährlich wiederkehrenden Kritikern in Kontakt stehe, so die Sprecherin. Dass es trotz der Kritik keine Berührungsängste zu geben scheint, zeigt sich mit einem Blick auf die Webseite von "Aktion 3. Welt Saar": Ein Agrarprojekt von A3WS wurde 2015 von "Brot für die Welt" und dem Katholischen Fonds mit dem Ökumenischen Förderpreis Eine Welt ausgezeichnet.