Aus dem "Filmdienst" wird das "Portal für Kino und Filmkultur"

Der Filmdienst wird digital

Veröffentlicht am 05.01.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Medien

Bonn ‐ Seit 1947 gibt es den "Filmdienst". Was als kleine Publikation von zwei Katholiken begann, wurde zu einem der renommiertesten Fachmedien zum Kino. Nun wechselt die Zeitschrift komplett ins Internet.

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Geschäftsführer Theo Mönch-Tegeder spricht von einem "offenen Experiment", Chefredakteur Josef Lederle von "spannenden Zeiten". Der "Filmdienst", Deutschlands älteste Zeitschrift für Filmkritik, steht vor einem fundamentalen Wandel. Am Montag wird aus dem gedruckten Magazin das neue "Portal für Kino und Filmkultur" im Internet, filmdienst.de. Statt alle zwei Wochen im Printformat kann sich der Nutzer dann immer und überall am Bildschirm über alles rund um Kino und Co informieren.

Das Portal setzt nach den Worten von Mönch-Tegeder das fort, "was seit sieben Jahrzehnten der Auftrag der Zeitschrift war: Den Lesern und Nutzern unter christlicher Perspektive einen erhellenden Einblick in das cineastische Angebot zu geben". Zugleich wolle man neue Wege gehen, ergänzt Lederle. So sollen verstärkt auch Serien und Angebote von Streamingdiensten wie Netflix oder Amazon unter die Lupe genommen werden. Außerdem gibt es mehr interaktive Elemente: Neben der Präsenz in den Sozialen Medien Facebook und Twitter können Nutzer im "Mein Filmdienst"-Bereich Kommentare hinterlassen.

80.000 Filme in der Datenbank

Ein Herzstück ist das bundesweit einmalige Archiv mit Informationen zu mehr als 80.000 Filmen und 240.000 Regisseuren, Schauspielern und anderen Filmschaffenden. Es wird unter dem Titel "Lexikon des internationalen Films" integraler Bestandteil des Portals. Der Zugang zur Seite ist kostenfrei; für einen vollständigen Zugriff auf die Filmdatenbank ist eine Jahresgebühr von 19,90 Euro fällig. Ein gedruckter Jahresband gleichen Namens soll auch 2018 wieder im Marburger Schüren Verlag erscheinen.

"Das ganze Portal samt Archiv verbleibt unter dem Dach des Katholischen Medienhauses", versichert Mönch-Tegeder. Dort, in Bonn, sitzt die dreipunktdrei mediengesellschaft, die bislang den "Filmdienst" herausgab und nun für das Onlineportal zuständig ist. Als 2016 die Entscheidung bekannt wurde, das gedruckte Magazin einzustellen, gab es vereinzelt Befürchtungen, die katholischen Bischöfe als Finanzgeber wollten sich aus diesem Teil der Filmarbeit verabschieden und die vorhandenen Bestände meistbietend verkaufen.

Mit einer Portion Wut im Bauch fing es 1947 an

Zu dieser Sorge besteht offenbar kein Anlass - aber die Reaktion von Blättern wie der "Welt" zeigten, welches Renommee sich die "Filmdienst"-Macher im Lauf der Zeit erarbeitet haben. Mit zwei Männern und einer Portion Wut im Bauch fing 1947 alles an. Klaus Brüne und Wilhelm Bettecken ereiferten sich über die erste nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gedrehte Komödie "Sag' die Wahrheit".

Für Brüne und Bettecken war der seichte Stoff ein Schlag ins Gesicht - nachdem die Nazis die Filmindustrie für ihre Zwecke instrumentalisiert hatten. Der im Oktober 1947 erstmals herausgegebene "Filmdienst der Jugend" sollte "der Gefahr der Massenansteckung und Affektbestimmtheit der durch die NS-Propaganda in ihrer Urteilskraft geschwächten deutschen Jugend entgegentreten und mit seiner Arbeit darauf hinzielen, dass diese Jugendlichen in Zukunft der Suggestionskraft der Leinwand nicht mehr passiv ausgeliefert sind".

Keine "katholische Film-Zensur"

Zwei Jahre später übernahm die "Katholische Filmkommission für Deutschland" die Regie über den "Filmdienst" - eine "katholische Film-Zensur", wie sie noch Anfang der 60er-Jahre die Konkurrenz fürchtete, wurde daraus nicht. Bei Bewertungen von damals heftig diskutierten Filmen wie "Das Schweigen" von Ingmar Bergman unterschieden sich die Einschätzungen der "Filmdienst"-Crew deutlich von denen der deutschen Bischöfe.

Gleichwohl spielte in der Bewertungsskala die kirchliche Morallehre eine Rolle. "Vier" hieß: "Abzulehnen - bekämpft indirekt oder direkt Glaube und Sitte". Manch einer nahm das als Hinweis auf "Busen und Beine" und ging deswegen erst recht ins Kino. Doch am Skandalfilm "Die Sünderin" kritisierten die Redakteure weniger die nackte Hildegard Knef als vielmehr eine Romantisierung von Prostitution.

Einen möglichst umfassenden Überblick über das Filmschaffen zu geben, verlässlich recherchiert und mit Empfehlungen versehen - das sollen auch die Alleinstellungsmerkmale von filmdienst.de bleiben. Stattfinden soll das Ganze - anders als beim nach wie vor als Printprodukt erscheinenden evangelischen Pendant "epd Film" - nunmehr ausschließlich im Netz.

Von Joachim Heinz (KNA)