Theologe: Darum braucht es den Segen für Homosexuelle
In die kontroverse katholische Debatte über mögliche Segnungen von homosexuellen Paaren kommt Bewegung. Angeregt hat die Diskussion der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Doch was sind die theologischen Argumente? Was muss in der Debatte alles mit bedacht werden? Der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann weiß mehr.
Frage: Herr Professor Kranemann, mit welcher theologischen Begründung lehnt die katholische Kirche eine Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ab?
Kranemann: Man befürchtet, es könnte automatisch eine Lebensform gutgeheißen werden, die man theologisch ablehnt. Es ist ja so: Der Katechismus verbietet ganz klar eine Diskriminierung von homosexuellen Menschen. Insofern lehnt die Kirche nicht den Menschen als solchen ab, durchaus aber gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Sie beruft sich auf Bibel und Tradition und führt als Begründung an, dass in solchen Beziehungen keine Weitergabe des Lebens, also die Zeugung von Kindern möglich ist. Deshalb sind homosexuelle Paare nach der Lehre der katholischen Kirche vom Sakrament der Ehe ausgeschlossen.
Frage: Aber es geht ja hier nicht um das Sakrament, sondern um einen Segen...
Kranemann: In der Tat gibt es bislang noch keine wirkliche theologische Diskussion in der Kirche, in welcher rituellen Form die Heilszusage Gottes - das meint ja der Segen - für diese Paare ausgedrückt werden kann. Ich finde es theologisch problematisch, wenn man den Segen abhängig macht von der moralischen Bewertung menschlichen Verhaltens. Bei traditionellen Autosegnungen beispielsweise werden die Fahrer ja auch unabhängig von ihrem Fahrverhalten gesegnet. Der Kirche ist aufgetragen, den Segen Gottes als Zusage weiterzugeben. Der Gesegnete soll aus dem, was ihm zugesprochen worden ist, leben.
Frage: Wie beurteilen Sie die Argumentation, dass man einer Verwechslung mit dem Sakrament der Ehe vorbeugen will?
Kranemann: Das kann ich nicht nachvollziehen, zumal es diese Sorge in anderen Bereichen nicht gibt: Wir haben das Sakrament der Taufe, und gleichzeitig werden in vielen katholischen Krankenhäusern Segnungsfeiern für Neugeborene angeboten. Das nehmen konfessionslose Eltern sehr gerne an, und ihnen bedeutet dieser Segen für ihr Kind sehr viel. Es ist ein pastorales Angebot, das der pluralen Lebenswirklichkeit der Menschen und ihrem Bedürfnis nach Stärkung gerecht wird. Die Kirche hat vielfältige Erfahrungen, wie man eine solche Unterscheidbarkeit gewährleistet.
Frage: Kann man denn eine Segnung als eine Art "Vorstufe" zum Sakrament verstehen? Ließe sich daraus ein Automatismus ableiten?
Kranemann: Segnungen sind vielfältig, manche führen auf ein Sakrament hin, andere ruhen einfach in sich selbst. Der Segen muss nicht automatisch oder zwangsläufig eine Vorstufe zum Sakrament sein. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht gleich eine Abwertung vornehmen, wenn wir sagen, es sei ja "nur" ein Segen. Für die Menschen, die um diesen Segen bitten, geht es um etwas sehr Bedeutsames.
Frage: Was bedeutet es theologisch, jemandem, der um einen Segen bittet, diesen zu verweigern?
Kranemann: Wenn ich Segen so verstehe, dass damit jemandem die Nähe Gottes zugesprochen wird, damit Leben gelingen kann, dann bringt das auch die Abhängigkeit des Menschen mit all seinen Lebensbezügen von Gott zum Ausdruck. Menschen die Zusage der Gnade Gottes vorzuenthalten, ist sehr schwierig. Ich halte es theologisch für höchst problematisch, wenn man Menschen solch einen Segen abspricht, den sie für sich als notwendig erachten. Menschen haben auch ein Recht darauf, dass ihnen die Gnade Gottes zugesprochen wird, wie der Pastoraltheologe Ottmar Fuchs in seinen jüngsten Studien ausführt. Außerdem entfremdet solch eine Vorenthaltung auch die Menschen von Gott. Mit dieser Frage müssen sich Kirche und Theologie sehr ernsthaft auseinandersetzen.
Frage: In vielen Bistümern werden zum Valentinstag Segnungsgottesdienste "für Liebende" angeboten. Das ist sehr offen formuliert. Nutzen auch homosexuelle Paare dieses Angebot?
Kranemann: Das weiß ich nicht. So oder so gilt aber: Wir müssen uns in der Debatte über solche Segnungen auch Gedanken machen, welche Form, welche Ritengestalt sie haben sollen, welche Zeichen und Symbole sinnvoll, welche angemessen sind. Hier sind Kirche und Theologie gefordert.
Frage: Was ist Ihre Empfehlung für die Debatte?
Kranemann: Die theologische Diskussion muss ernsthaft, sachlich und offen, aber auch zügig geführt werden - schließlich geht es um menschliche Wertschätzung und pastorale Verantwortung. Ausgangspunkt sollte dabei sein, dass der Katechismus eine Diskriminierung von Homosexuellen verbietet. Auch Papst Franziskus betont das ausdrücklich. Und ich finde gut, dass der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, immerhin stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, das Thema nun in Deutschland anschiebt. Es gibt gesellschaftliche Veränderungen und Herausforderungen, etwa auch durch die neue "Ehe für alle", es gibt veränderte theologische Einschätzungen mit Blick auf Homosexualität, und die Kirche ist hier in einem guten Lernprozess.