Heute wäre Roy Black 75 Jahre alt geworden

Das schönste Ave Maria

Veröffentlicht am 25.01.2018 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 
Feuilleton

Bonn ‐ Roy Black singt die wohl schönste Version von Schuberts "Ave Maria" – auch wenn Kritiker das anders sehen. Zum 75. Geburtstag des Sängers und Schauspielers hört katholisch.de noch einmal hinein.

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Die ersten Töne von Schuberts "Ave Maria" klingen auf der Orgel an. Doch, oh je: Der Solist greift sich an den Hals, hustet, muss die Empore verlassen. Auftritt Kinderarzt Dr. Hannes Fröhlich, gespielt vom damals 29-jährigen Roy Black: Mit zartem Schmelz und himmlischem Vibrato in der Stimme rettet er den Gottesdienst (wunderbarerweise hat sich die Orgel unterdessen in ein Klavier verwandelt) und singt die Mutter aller Ave Marias, Traum jeder Traumhochzeit.

Wie es im Roy-Black-Klassiker "Kinderarzt Dr. Fröhlich" zu der Szene kommt, ist etwas verzwickt. Der "Filmdienst" fasste 1972 in seiner Kurzkritik den "Arztfilm mit Neigung zum Groschenroman" etwas schlecht gelaunt so zusammen: "Ein frischgebackener Kinderarzt doktert einem Freund zuliebe in einer vorübergehend verwaisten Dorfpraxis herum, rettet ein Kind aus einer Eishöhle im Hochgebirge, hilft im Gottesdienst aus und heiratet die junge Apothekerin, die als uneheliche Mutter verdächtigt wurde."

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In einer längeren Fassung der Filmbesprechung nennt das renommierte Fachblatt den Liedvortrag (der immerhin eine Messe rettet) – immer noch schlecht gelaunt und hochkulturell verstimmt – "Verballhornung". Doch die Kritikerschelte tut der Beliebtheit von Roy Blacks Ave Maria keinen Abbruch. Seine Interpretation ist der Goldstandard unter den vielen Einspielungen des Schubert-Lieds, das von der Callas bis Andrea Bocelli von allem, was Rang und Namen hat, gesungen wurde. Unzählige Hochzeiten und einige Beerdigungen dürfte die Ave-Maria-Szene geprägt haben, glaubt man Hochzeitsforen und euphorischen YouTube-Kommentaren. "Wunderbar gesungen!!! Da kommen mir immer wieder die Tränen. Einmal wegen meiner Hochzeit, und dann leider wegen des Todes meines Mannes" ist nur eine von vielen Äußerungen unter dem Video. Kein Auge bleibt trocken, wenn Roy Black sich – mit Schuberts Text, nicht dem der Liturgie – an die "Jungfrau mild" wendet: "O Jungfrau, sieh der Jungfrau Sorgen, o Mutter, hör ein bittend Kind!"

Sein einziges geistliches Lied

Im Werk Roy Blacks bleibt die Schubert-Darbietung ein Solitär. Es ist das einzige geistliche Lied seines filmischen Oeuvres, allein in einer Folge der Serie "Ein Schloss am Wörthersee" singt er es noch einmal, verrät der Regisseur der Serie, Otto Retzer, gegenüber katholisch.de. Retzer war ein guter Freund Blacks, drehte einen Dokumentarfilm über das Leben des früh verstorbenen Sängers. Auch an "Kinderarzt Dr. Fröhlich" war er beteiligt: Er hat einen kleinen Auftritt als Reitlehrer. Viele Hintergründe zum Ave Maria kann er aber auch nicht liefern – nur einen wichtigen biographischen Hinweis: Schon bei der Hochzeit der Eltern des als Gerhard Höllerich geborenen Blacks wurde Schuberts Ode an die Gottesmutter gesungen.

Dem Lied selbst war seine Popularität in Gottesdiensten nicht in die Wiege gelegt: Der Komponist Franz Schubert vertonte 1825 sieben Gedichte des schottischen Dichters Walter Scott, darunter auch "The Lady of the Lake", das in Schuberts Übersetzung "Ellens dritter Gesang: Hymne an die Jungfrau" heißt. In seinem Gedicht erzählt Scott eine Geschichte aus den schottischen Highlands um Liebe und Verrat; in dem Teil, den Schubert als "Hymne an die Jungfrau" vertont hat, wendet sich die Titelheldin Ellen Douglas aus einem Versteck in einer Höhle an die Muttergottes und erfleht ihren Schutz. So erklärt es sich auch, dass eine der bekanntesten Ave-Maria-Variationen – anders als die Fassung von Charles Gounod – nur aus Versatzstücken, nicht aber dem vollständigen Text des christlichen Grundgebets an die Mutter Jesu besteht, in der deutschen Fassung jedenfalls: Auf Schuberts Melodie wurde später auch der lateinische Text des Gebets gelegt.

All das spielt in "Kinderarzt Dr. Fröhlich" freilich keine Rolle (auch wenn dort wie im Gedicht die Rettung aus einer Höhle ein relevanter Handlungsbestandteil ist). Dort genügt die berührende Musik. Die wie der "Filmdienst" damals als "Verballhornung" und "Schlagerschmalz" zu denunzieren, wird der bleibenden Wirkung und den vielen Herzen, die Roy Black mit seinem Lied berührt hat, nicht gerecht. Heute wäre der 1991 viel zu früh verstorbene Sänger und Schauspieler 75 geworden: "Wir schlafen sicher bis zum Morgen, ob Menschen noch so grausam sind."

Von Felix Neumann