Heilige Franziska, bitte für uns Autofahrer!
Wer einmal in Rom das alltägliche Verkehrschaos und die erdbebenkratergroßen Schlaglöcher auf den Straßen überlebt hat, wundert sich nicht mehr darüber, dass die offizielle Schutzpatronin der Autofahrer eine Römerin ist: die heilige Franziska Romana (1384-1440). Erstaunlich ist allerdings, dass diese Heilige, deren Gedenktag die katholische Kirche heute begeht, bei uns, im Land der Autofahrer, nicht längst schon mindestens ebenso viele Anhänger hat wie der ADAC.
Geboren wurde die heilige Franziska lange vor der Erfindung des Otto-Motors in einem noch auto- und abgasfreien Rom: 1384 erblickte sie als Spross einer römischen Adelsfamilie aus Grundbesitzern und Kaufleuten das Licht der Welt. Weil die Päpste nach Avignon ins südfranzösische Exil gegangen waren, glich Rom damals einem Kuhdorf, auf dem Forum Romanum weideten Rinder.
Die junge Frau, die ihrer Herkunft nach selbst auf der Überholspur zu Hause war, entdeckte schon früh ihr Herz für all jene, die auf dem Standstreifen zurückgeblieben waren. Aufopferungsvoll kümmerte sich Franziska um Kranke. Angesichts einer großen Pest-Epidemie wandelte Franziska 1417 sogar einen Teil ihres Palazzo in ein Krankenhaus um. Die Fähigkeit Krankheiten zu heilen brachte ihr bald den Ruf einer "Wundertäterin" ein.
Der Vater ließ sie nicht in den Orden
Ursprünglich hatte Franziska bereits in jungen Jahren Ordensfrau werden wollen. Ihrem Vater war das allerdings ein Dorn im Auge, weshalb er sie bereits im jungen Alter von 12 Jahren mit dem begüterten Lorenzo Ponziani verheiratet wurde; aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, zwei davon starben in jungen Jahren an der Pest. Während der Besetzung Roms durch neapolitanische Truppen Anfang des 15. Jahrhunderts wurde Ponziani verletzt und erholte sich bis zu seinem Tod 1436 nie wieder ganz davon.
Dass Franziskas Gedenktag heute direkt auf den Weltfrauentag folgt, hat durchaus seine Berechtigung: Denn eine so fromme und karitativ engagierte Frau wie Franziska fanden in der damaligen Zeit nicht alle Männer gut. Aber ihr Ehemann, so die Überlieferung, habe sie vor derlei Anfeindungen geschützt. Doch trotz ihrer Rolle als Beschützerin für Christen am Steuer steht Franziska auch im 21. Jahrhundert immer noch im Schatten ihres männlichen Mitpatrons, des heiligen Christophorus. Hinter den katholischen Windschutzscheiben baumelt allenfalls seine Figur. Selbst in Franziskas Heimatstadt Rom findet man in den Taxis weitaus häufiger eine Darstellung von Padre Pio als von der heiligen Franziska.
Nach dem Tod Lorenzos 1436 wurde Franziska von ihrer Schwiegertochter aus dem Haus vertrieben. Daraufhin ging sie dorthin, wo sie immer schon hingewollt hatte, ins Kloster. Schon bald gründete sie den weiblichen Zweig der Olivetaner, der Benediktinerkongregation vom Monte Oliveto in der Toskana, und wurde Oberin der "Vornehmen Oblaten am Tor de Specchi". Im Zentrum Roms, an der Kirche Santa Maria Nuova auf dem Forum Romanum, gründete sie schließlich 1425 die Gemeinschaft der Oblatinnen des Olivetanerklosters.
Heilige mit Startschwierigkeiten
Nachdem man ihre Gebeine 1638 gefunden hatte, wurde Franziska in der Kirche Santa Maria Nuova am Forum Romanum bestattet, die heute ihren Namen trägt: Santa Francesca Romana. Dort werden ihre bekleideten Gebeine heute in einem Glasschrein aufbewahrt. Nicht ganz standesgemäß für eine Patronin der Autofahrer erscheint allerdings, dass die angrenzende breite Straße, die Via dei Fori Imperiali, seit 2015 für den privaten Autoverkehr gesperrt ist. Geblieben ist nur die traditionelle Autosegnung vor der Kirche Santa Francesca Romana anlässlich des Gedenktages, die auch am Sonntag wieder von Kardinal Angelo Sodano vorgenommen wird.
Mit der Ehre der Altäre klappte es bei Franziska nicht auf Anhieb. Erst nach drei vergeblichen Anläufen 1440, 1443 und 1451 bis 1453 wurde sie schließlich 1608 von Papst Paul V. heiliggesprochen.
Der Papst mit dem Benzin in den Adern
Aber wie kam nun Papst Pius XI. 1925 dazu, ausgerechnet Franziska zur kirchlichen Ansprechpartnerin für Mercedes-Fahrer und Fiat-Panda-Besitzer zu machen? Die christliche Kunst gibt in diesem Fall keinen Fingerzeig. Franziska wird hier allenfalls mit einem Esel oder Engel dargestellt, also nicht mal einer Pferdestärke. Dass es Pius XI. war, der sie 1925 dazu erklärte, liegt hingegen durchaus nahe. Achille Ratti, der nach seiner Wahl als Pius XI. (1922-1939) mit einem Bianchi Tipo 15 den Urahn aller Papamobile benutzte, gilt als erster Papst "mit Benzin in den Adern".
Welche Motive den Papst zu dieser Entscheidung bewogen, ist bis heute nicht ganz klar. Der damalige Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano vertrat 2006 die Auffassung, Franziska verdanke ihr PS-Patronat dem Umstand, dass sie stets von einem Schutzengel begleitet worden sei. Der Überlieferung nach spendete der ihr so viel Licht, dass sie auch dunkle Gassen nicht fürchten musste. Sogar nachts habe sie lesen können - was heute für Beifahrer ohne Leselampe nur auf belgischen Autobahnen möglich ist. Manche älteren italienischen Darstellungen verweisen darauf, dass Franziska zwar nie ein Auto besessen habe, aber dafür eine Schwiegertochter namens Mobilia. Eine andere Hypothese lautet, ihre Fähigkeit zur Bilokation, also an mehreren Orten gleichzeitig zu sein, erinnere an ein schnelles Auto.
Eine jedem Autofahrer in Rom sofort einleuchtende Erklärung gab vor einigen Jahren der damalige Wallfahrtsdirektor des oberschwäbischen Maria Vesperbild, Wilhelm Imkamp. Er verwies darauf, dass Pius XI. Humor und Franziska Höllenvisionen gehabt habe. Und damit wären wir beim Autofahren in der Ewigen Stadt, denn Imkamp fuhr fort: "Wer in einer Großstadt hinter einem Lenkrad sitzt, weiß, was sie gesehen hat".